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Vom Geldwäscher zum Tellermillionär

„Der Weg zur finanziellen Freiheit“ von Bodo Schäfer

Meine Damen und Herren!
Wir leben ja heute inner Demokratie. In einer sog. „offenen Zivilgesellschaft“. Und das Gute an einer solch offenen Zivilgesellschaft ist das ungeheuerliche Ausmaß an ungeheuerlichen Möglichkeiten, straf- und sorgenlos Scheiße zu erzählen. Weil hier jeder sagen und lassen und sagen lassen kann, was er will, gibt es heute z.B. auch lispelnde Nach­richtensprecherinnen, Typen wie Franz Josef Antwerpes und sogar bi­sexuelle Bischöfe. Da gibt's musizierende Rohlinge wie die Kelly-Family, mystifizierende Wüstlinge wie Richard von Weizsäcker und regelmäßig völlig legale Katholikentage. In ’ner Demokratie gibt‘s also quasi alles, was es nach menschlichem Dafürhalten eigentlich gar nicht geben dürfte. Und deshalb ist das Beste an dieser immer breiter werdenden Demokra­tie vor allem der Umstand, dass man diesmal frühzeitig erkennen kann, wann man die Koffer zu packen hat.
Ach ja, fast hätt ich’s vergessen: Dann gibt’s noch die vielen engagierten politischen Parteien, die sich um berechtigte & manchmal divergierende Interessen kümmern müssen – um die Interessen von lispelnden Nach­richtensprecherinnen, multi-sexuellen Bischöfen, um die von Leuten wie Hansi Hinterseer und Richard von Weizsäcker, und um die Interessen der vielen engagierten, politischen Parteien.
Meine Damen und Herren! Das ist im Prinzip eigentlich alles - schön und gut. Aber seien wir mal für ‘nen Moment lang ehrlich! Seien wir mal für’n paar Sekunden kurz wahrhaftig! Im Grunde ... wollen wir doch alle immer nur das Eine:
An die Möpse! An die Eier! An die Lappen! An die Knete! An die Kohle! An die Groschen von den andern!
Ist es nicht so?
Sind wir da nicht alle, alle ein stückweit gleich? Alle gleich geil auf den gleichen, geilen, großen Haufen Asche, auf den fetten Riesensack mit Zaster?
Komm, et is‘ doch so!
Gut, die Christen möchten außerdem noch überall mitreden! Aber sonst?
Ansonsten zählt für die breite Masse doch nur dieses hier:
„Der Weg zur finanziellen Freiheit – In sieben Jahren die erste Million“ von Bodo Schäfer.

Wer aber, meine Damen und Herren, ist nun dieser Bodo Schäfer?
Nun, Bodo Schäfer ist erst mal Bodo Schäfer; ein ganz normaler Bodo Schäfer, Bodo, the Schäfer! Ein Mensch ohne Wenn-und-Aber, Woher, Wieso und Warum, ein Mensch, wie er in jeder popeligen Demokratie
halt so vorkommt. Dann ist er noch ein mehrfach bestsellernder Zeilen­schinderhannes und der schnieke G’schaftlhuber seiner eigenen „Bodo Schäfer Finanz Coaching GmbH“, der es geschafft hat vom Geld­wäscher zum Tellermillionär! Ein enervierender Wirtschaftswiderling,
der anderen Wirtschaftswiderlingen in billigen Wochenendkursen das Große Einmaleins der Halsabschneiderei reintrichtert, wofür er mal so eben ratzfatz 80.000 Mücken abgreifen und einsacken darf. Für sein Kleines Einmaleins jedoch muss man nicht ganz so viel latzen. Das kriegen se schon für 39 Mark 80.
Meine Damen und Herren!
Bodo ist infiziert mit einem esoterischen Optimismus, der einen krank macht, und gesegnet mit einem analytischen Verstand, der einem den Rest gibt. Schlicht und einfach beginnt er seine erste Lektion mit dem Satz:
„Wissen Sie, was die meisten Menschen davon abhält, das Leben zu leben, von dem sie träumen? Geld, schlicht und einfach Geld.“ Yo! Da wär’n wir jetzt selbst nicht drauf gekommen! Und wissen Sie, meine Damen und Herren, was Bodo direkt daran im Anschluss betont? Direkt im Anschluss betont Bodo:
„Wir sollten die Bedeutung von Geld nicht überbetonen.“
Und betont einfühlsam fügt er dann noch hinzu:
„Aber wissen Sie, wann Geld zu wichtig wird? Wenn es an allen Ecken und Kanten fehlt!“

Meine Damen und Herren, ich könnte Sie jetzt ein wenig fertig machen mit Hilfe einer kleinen Zitatensammlung. Und wissen Sie was? Ich mach das auch. Also Augen zu und durch:
„Im Alter von 26 Jahren lernte ich einen Mann kennen, der
mir die Prinzipien des Wohlstandes beibrachte. Nur 4 Jahre später konnte ich von den Zinsen meines Geldes leben.“

Oder dies hier:
„Professor Thomas Stanley von der Uni Georgia aus den USA untersuchte 12 Jahre lang das Leben der Reichen. Er kam zu dem Ergebnis, dass diese zu den zufriedensten Menschen auf der Welt gehörten.“
Oder das hier:
„Ich behaupte, dass es gut ist, Geld zu haben.“ Und: „Es ist besser, reich und gesund als arm und krank zu sein.“

Es wäre eventuell noch von Interesse zu klären, was der Mann überhaupt will. Nun, Bodo will, dass alle so werden wie er, schön, reich, ulkig, riesig clever und verschlagen wie seine beiden selbst ausgedachten Protago­nisten „Richard Riesig und Claus Clever“, zwei riesig clevere Schlaumeier, die alle naselang unermüdlich durch seinen literarischen Blasebalg geistern. Komisch nur, dass mir im seinem Buch nicht auch noch Willy Wertpapier und Ecki Extrazins über’n Weg gemeiert sind. Oder Sigi Superschlau. Oder Scharly Scharehoulder Wally. Oder Guido Westerwelly, aber egal.
Und damit sein seminarterroristisches In-die-Birne-Gebimse auch bei Intelligenzbestien gedankenlos klappt, gibt er hin und wieder den elabo­rierten Kurzgeschichten-Onkel & Magister der eloquenten Redundanz:
„Eines Tages ging ein armer Farmer in seine Scheune und fand ein goldenes Ei im Nest seiner Gans. Sein erster Gedanke war: ‚Da will sich jemand über mich lustig machen.‘ Aber um sicherzugehen, nahm er das Ei und brachte es zu einem Goldschmied. Der prüfte das Ei und teilte dem Farmer mit: ‚100 Prozent Gold, durch und durch reines Gold.‘ Der Farmer verkaufte das Ei und ging mit viel Geld nach Hause. Am Abend gab er ein großes Fest. Im Morgengrauen stand die ganze Familie auf, um zu sehen, ob die Gans eventuell noch ein goldenes Ei legte. Und tatsächlich, wieder lag ein goldnes Ei im Nest. Von da ab fand der Farmer jeden Morgen ein weiteres goldenes ...„ usw. usw.
„Aber der Farmer war ein habgieriger Mann. Er fragte sich, warum die Gans nur ein Ei legte. Und überhaupt wollte er gerne wissen, wie das Tier das machte, um selber goldene Eier produzieren zu können. Er steigerte sich immer mehr in seine Wut hinein. Schließlich lief er in den Stall und spaltete die Gans mit einem Buschmesser in zwei Hälften. Alles, was er fand, war ein halbes, in Entstehung begriffenes Ei."
Und weil der kluge Bodo Schäfer aus Erfahrung weiß, dass seine Leserschaft blond wie Schifferscheiße ist, dichtet er für sein Publikum ans Ende noch die nötige Quintessenz:
„Und die Moral von der Geschicht:
Töte deine Gänse nicht.“

Andererseits:
Wo er Recht hat, da hat er Recht.
Oder?

Jun. 2000
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