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Ohne Hirn durchs Leben

„Feng Shui gegen das Gerümpel des Alltags“ von Karen Kingston

Trotz Gott, meine Damen und Herren, werden die Kirchen immer leerer. Deshalb hat sich aber der Obskurantismus noch lange nicht erle­digt. Sie suchen sich nur alle paar Wochen immer wieder neue Belästigungsfelder:
»Feng Shui ist die Kunst, den Fluß der natürlichen Energie­ströme in unserer Umgebung auszubalancie­ren und zu har­monisieren, damit es einem gut geht.«
Deswegen sagt man ja auch zu besonders erfolgreichen Künstlern dieser Disziplin: »Dir geht’s wohl zu gut!«
Karen Kingston schreibt:
»Ich gebe seit 1990 sechs Monate im Jahr Feng Shui-Work­shops in vielen Ländern der Erde und lebe in der übrigen Zeit auf Bali.«
Und warum grade da? Nun, blöde Frage:
»Dort leben die Menschen immer noch in völligem Einklang sowohl mit der physischen, sichtbaren Welt als auch mit der ätherischen, verborgenen Welt der un­sichtbaren Energien.“ Huuuuh, huuuuh! „Die täglichen Opfer an den Haus­schreinen im ganzen Land und eine endlose Folge von machtvollen, wun­dervollen und hochentwickelten Zeremonien in den 20 000 Tempeln der Insel sorgen da­für, dass die Balance und die Harmonie erhalten blei­ben.«
(Bali, meine Damen und Herren – ich setz das mal in Klammern – gehört zu Indo­nesien, und 1990 war der energetische Präsident Suharto, ein klassischer Völkerkiller aus der Gegend da, bereits im 22. Jahr seines Wirkens. Und 1999 gab’s dort zum ersten Mal so was wie freie Wahlen. Na, is’ wahrscheinlich für Feng shui auch feng shui.)
»Mein eigener Feng Shui-Ansatz unterscheidet sich von dem der anderen Praktizierenden, als ich direkt mit der Energie des einzelnen Raumes arbeite. Im Laufe von 20 Jahren habe ich die Fähigkeit entwickelt, schlechte Ener­gie klarer zu sehen, hören, riechen und empfinden zu können.« Hm. »Wenn ich eine Beratung beginne, schreite ich den ge­samten Innenraum des Gebäudes ab und lese die Ener­gie in meinen Händen. Die Geschichte der Ereignisse ist in Form von elektromagneti­schen Abdrücken in den Wänden und Möbeln festgehalten.«
Ohne Morphium, meine Damen und Herren, und ner kompletten Familien­packung Hallo-wach-Pillen wär für mich die Lektüre kaum zu schaffen ge­wesen. Als die Wirkung aber nachließ, war mir klar: Et geht einfach nur darum, dass alles so aussehen soll wie bei Ikea. Vielleicht heißt Feng Shui auch auf deutsch: »Räum endlich deine Bude auf; sonst fängste dir eine!«
Konkret!
In jedem dämlichen Haushalt sammelt sich ja – wie Sie schon ahnten – oft so allerlei Gerümpel an. Und wie viel – das hat die Karen Kingston netterweise mal aufgelistet:
„Eingangsbereich 5%, Wohnzimmer 10%, Essraum 10%, Küche 30%, Schlafzimmer 40%, Rumpelkam­mer 100% ... Da fragt man sich natürlich: „Wieso hab ich überhaupt ne Rumpelkammer?“ „Badezimmer 15%, Keller 90%, Speicher 100%, Gartenhütte 60%, Garage 80% – Gerümpel insgesamt: 545 %.“
545%, mein lieber Kamasutra!
Das is’ ja ein ganz schön ordentlicher Haufen! Zu fragen, welcher voll-
stramme balinesische Mega-Mathema­tiker an der Ollen vorbeigelaufen ist, ist völlig zwecklos:
»In der besitzorientierten westlichen Welt haben wir verlernt, loszulassen. Das ist übrigens einer der Grün­de, weshalb sich die Menschen so niedergeschlagen fühlen, wenn sie ihr ge­samtes Hab und Gut durch Überschwemmung, Feuer oder Diebstahl oder andere sogenannte Katastrophen verlie­ren. Schließlich können Sie nichts von alldem mitnehmen, wenn Sie einmal abtreten. Ihr Status als ewiger Geist wird nach völlig anderen Regeln definiert als denen der vergäng­lichen Welt.«
Abgesehen davon, dass ich persönlich jetzt diese Regeln nur ungerne kennenlernen möchte (geschweige denn diesen Geist), erklärt der be­kannte sanfte Bonner Wanderprediger & Witzeerzähler, mein Freund Norbert Alich das fernöstliche Gesundheits­system immer folgender­maßen: »Selbst die Todesstrafe ist bei solchen Leuten sinnlos. Weil
die nämlich sagen: ‚Schieß doch! Ich komm doch sowieso wieder!’«
Andererseits: Wenn man dann wieder da ist, will man doch auch die geklauten oder weggeschwommenen Sachen wie­der haben, oder?
Egal.
Meine Damen und Herren! Feng Shui gibt’s für jeden Scheiß. Vor allem für teures Geld. 13 bis 25 € pro Quadratmeter.
Und dann gibt’s noch: »Feng Shui für zwei«. Das hat sich ein Herr »Christopher A. Weidner« für den Rowohlt-Verlag aus seiner Hirndrüse gezwirbelt. Übrigens ein kluger Ratgeber für alle, die ihren Partner los­werden wollen. Oder wie dieser Bursche es anderer Stelle sagt:
»Es gibt nichts, was sich nicht mit der alten taoistischen Lehre in den Griff bekommen ließe.«
So. Ich denke, meine Damen und Herren, das könnte auch als prima Schlusswort für den heutigen Abend durchgehen. Denn Feng Shui heißt – so viel ich weiß – auch auf deutsch:
„Gute Nacht, Deutschland“.

Jul. 2004
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