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Sissi und Alice im Wunderland

„Romy Schneider - Mythos und Leben“ von Alice Schwarzer

Liebe Leser!
Wie beginnt eine Frau, die von Beruf Frau ist, eine Biographie über eine andere Frau? Wie lauten die ersten Sätze aus der Feder einer Feministin, die bis heute nicht begreifen will, dass einem Mann beim 1. Blickkontakt nicht die inneren Werte auffallen können, sondern bestenfalls Beine, Po und Dudeln und der möglicherweise tiefe V-Ausschnitt? Nun, Frau Alice Schwarzer fängt folgendermaßen an:
„Als Romy Schneider das Kölner Fernsehstudio betritt, trägt sie einen schwarzen Hosenanzug, dessen Beine so weit ge­schnitten sind, dass er wie ein schmaler Rock wirkt. Über den schlichten, tiefen V-Ausschnitt baumeln lange, zartglie­drige Modeketten.“
Hätte ein Mann das billige Modegebaumel für erwähnenswert erachtet,
es wäre ein Affront gewesen, typisch simpel oder simpel typisch. Unter der Hand von Alice aber verwandelt sich industriell zusammengeklopp-
tes Massenklunkerkitschgehänge in einen zartgliedrigen inneren Wert.
Egal.
Dann dringt sie tiefer ein in die von Gott und den Genen geschaffene, natürliche weibliche Individual-Individualität:
„Geschminkt ist sie, wie immer, perfekt.“
Und weil auch die mittlerweile 170-lenzige Alice die Vorteile von Puder, Pinsel, Pickelpaste zur Übertünchung des eigenen Verfalls nicht mehr missen möchte, schwadroniert sie hinter das "perfekt":
„Ganz Gesicht und Ausdruck, ganz Sensibilität und Sinnlichkeit.“

Aber mit irgendwat muß man ja anfangen. Und als Fachfrau macht sie
es eben wie ein Fachmann; und vor allem deswegen so, weil sie weiß, dass auch die avisierten Käuferschichten, also Tucken-Tunten-Tralala - Sektenfrauen und Freunde der Nostalgie noch genau wissen, dass die Romy seinerzeit die Welt nicht mit ihren geistigen Ergüssen, sondern mit Kostümkalauern wie Sissi I, II, III, französischem Geschlechterkriegs-Palaver a la „Die Dinge des Lebens“ und sich selbst mit Alkohol überschwemmt hatte.

Yo! Und da simmer auch schon in medias Dingens, bei Papa, dem Krieg: Und wenn Alice vom Krieg erzählt, ist wieder klar, dass das 1. Opfer eines jeden Krieges das Sprachzentrum ist. So sieht denn auch an der militanten Sexfront die Syntax von Alice aus:
„An diesem Abend schreit sie nicht. Sie schweigt. Nicht aus Arroganz. Aus Angst. Aus Unsicherheit. Aus Schwäche.“
Hör mal, junge Frau! Auch wenn Krieg ist, so viel Zeit muß sein: Subjekt, Prädikat, Objekt! Als Anwältin aller Objekte kennst du dich doch aus! Und selbst dann, wenn's Patriarchat kein Nebenwiderspruch sein sollte, könntest du dir doch ruhig mal auch 'nen Nebensatz ausdenken!
Zu den Waffen einer Frau wie Alice gehört es, sich im Gespräch ohne Punkt und Komma durchzubeißen. In ihrem Buch aber herrschen dage­gen andere Gesetze. Dort wird man zum Opfer ihrer geradezu triebhaften Interpunktion:
„Als Kind wird Romy wiederholt ins Badezimmer eingesperrt. Später wird sie sich dann in Daddys Gegenwart noch aus ganz anderen Gründen einsperren ...“ Pünktchen, Pünktchen, Pünktchen.
Hey, Schwarzer, so was ist Pünktchen-Missbrauch! Aber wenn sie mit ihrem Frauen-Latein am Ende ist, geht eben das muntere Vermuten los. Da scheint es zu scheinen, da kann es auch können, da hat der Konjunk­tiv Hochkonjunktur, und ist weibliche Phantasie Not am Mann.
Und wer als Triebtäter derart über die unschuldige deutsche Sprache herfällt, der treibt's dann auch mit der Heimat – bis Rotz und Blut und Wasser laufen:
„Einmal beginnt Romy zu weinen. Es ist, als wir über Deutschland sprechen.“ Huhu!
Richtig witzig wird's immer dann, wenn Adolf auf die Bühne stiefelt, und Romy die Karten legt:
„Ich glaube, dass meine Mutter ein Verhältnis mit Hitler hatte.“ Donnerwetter!
Und als ob das nicht genügte, macht Alice noch einen drauf:
„Ich hatte das zunächst für ein Phantasieprodukt eines hefti­gen Mutter-Tochter-Konfliktes gehalten. Doch bei Licht bese­hen ist es gar nicht ausgeschlossen. Denn ohne das war eine Filmkarriere in der Nazizeit gar nicht möglich.“
Mein Jott! Adolf poppt Schauspielschöler!
Die Kriegsgeneration hatte schon 'nen gewaltigen Hau weg; aber ihr Trümmerblagen habt auch nich mehr alle Räder am Wagen!

Kommen wir zum Schluss zum Sinn! Alices feministische Feinanalyse nach 40 Jahren feinster Frauenforschung: Wenn es keine Männer gäbe, hätte sich eine Politikerin wie Petra Kelly nicht erschießen müssen. Wenn es keine Männer gäbe, wär Lady Di nicht in den Tunnel gefahren. Wenn es keine Männer gäbe, hätte eine Schauspielerin wie Romy nicht das Saufen angefangen. Ja, und wenn es keine Alice Schwarzer gäbe, wären wir nie in den Genuss eines solchen Satzes gekommen:
„In keinem Metier ist die Kluft zwischen dem, was scheint, und dem, was ist, so groß wie in der Filmschauspielerei.“
Pardon, aber ich kenn' noch so' n Metier. Fängt mit "Emma" an und
hört mit "Journalismus" auf.
Gute Nacht.

Nov. 1998
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