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Der Zwischenmensch

„Lebe mit Herz und Seele“ von Dietrich Grönemeyer

Meine Damen und Herren!
Prof. Dr. med. Grölemeyer ist hauptberuflich der Bruder von dem anderen Grölemeyer. Und dann isser noch Deutschlands profiliertester Rücken­schmerzenwegbeter und Öko-Quacksalber vorm Herrn. Vor allem aber eine Zwischenmenschlichkeitsqualle von unerklärlichen Ausmaßen – Claudia Roth ist ein Pantoffeltier dagegen. Er besitzt ein militant- sonni­ges Gemüt, und schon das Foto von ihm auf dem Schutzum­schlag... es macht einen fertig: In roter Schlab­berhose und weißem Schlabber-T-Shirt mit putzigem Schmetterling drauf hat er sich wie der Bi-Ba-Butzelmann zur Hälfte hinter 'nem Baum versteckt und streichelt sensibel die wehr­lose Rinde. Und sein buddhistisches Honigkuchenpferdgesicht will uns neckisch sagen „Hallo! Kuckuck! Hier bin ich!“
Weil Grölemeyer aber der Bruder von Grölemeyer ist, kritikastert er im ersten Kapitel erst einmal wild in der Gegend rum und macht die Welt schlecht:
„Ich warne nur vor der Allmachtsphantasie von ein­zelnen Wissenschaftlern, einzelnen Börsenspekulanten und ein­zelnen Industriezweigen.“
Huuh, huuh, huuh! Also: Er warnt die Welt vor allem und im Einzelnen vor sich selbst! Und traurig ist er sowieso:
„Ich bin traurig, wenn ich erlebe, wie die Meere ab­gefischt sind, wie Korallen sterben und möglicherwei­se nur noch Quallen übrig bleiben.“ So Quallen wie, äh ... egal.
„Ich will nicht, dass mir übermorgen gesagt wird, dass wir die Fenster nicht mehr öffnen dürfen, da der Wär­mehaushalt der Erde sonst zu stark verändert wird." Ja, mein Gott! Dann dreh doch die Heizung runter!
„Seit meiner Jugend stimmen diese Taten menschli­cher Um-
weltzerstörung mich traurig und erzürnen mich.“
„Unsere Kinder und Kindeskinder warten schon und beo­bachten uns.“
„Wir sollten dazu unsre Speisepläne und Essgewohn­heiten einmal überdenken.“
Ja, mach dat ...
Dieses war quasi die Vorspeise.

Im Hauptgang, ab Kapitel 2, kommen dementsprechend die diversen Börsenspekulanten, vermurksten Korallen & einzelnen Monsterquallen dann auch gar nicht mehr vor. Da geht's nur noch um Dr. Grölemeyer selber und seine abgrundtiefen Gespräche.
„Ich mag es, Menschen nicht nur zu grüßen, sondern eigentlich einem Menschen, dem ich begegne, auch ganz
be­wusst die Hand zu geben.“
Dass Jürgen Fliege mit seinem unfassbaren Pfarrer-Schleim noch hätte getoppt werden können, lag bisher jenseits meiner Vorstellungskraft:
„Deshalb ist es auch so wichtig, die elementaren Din­ge in der zwischenmenschlichen Beziehung nicht außer Acht zu lassen: ‚Guten Tag’ oder ‚Gute Nacht’ zu sa­gen ist so einfach. Wie schön und überwältigend ist es dagegen, ‚Ich hab dich lieb’ oder ‚Ich liebe dich’ zu sagen, wenn es tief ernst gemeint ist.“ Von so wat kriegt man Rückenschmerzen! Und dann kommt’s ganz dicke und knüppelhart, und die Pferde gehen mit ihm durch:
„Dem Leben begegnet man nur im Leben.“
„Im Leben geht es auf und ab.“

Oder das hier:
„Arbeit für alle: Das wäre mein Ziel.“
Sie sehen: Der Mann hat auch Witz.
„Turne bis zur Urne!“
Und den hier hab ich überhaupt nicht verstanden:
„Fischstäbchen schwimmen nicht im Meer!“
Nee, in Olivenöl – wo denn sonst?
„Wir sollten einmal bewusst darüber nachdenken.“
Hey, Grölemeyer, wat meinst du denn damit?
„Damit meine ich: verstandesmäßiges Durchdenken.“
Ah ja! Und vor allem:
„Ich freue mich auf jeden Menschen, den ich sehe.“
Na, mich hat er ja noch nicht kennengelernt.

„Wenn ich von den ‚7 Haltungen’ spreche, dann ist die Zahl
7 auch symbolisch zu verstehen. 7 Tage bestim­men den Rhythmus der Woche. Die alten Mysterien der Antike kannten 7-fache Wege der Einweihung. In der christlichen Tradition sind es die 7 Gaben des Hl. Geistes. Ebenso wie die 7 Tod­sünden versuchen sie, das Ganze des menschlichen Lebens zu erfassen.“

Klar, genauso wie die 7 Zwerge hinter den 7 Bergen mit ihren 7 Sachen. So wie auch der gemeine Sieben­schläfer. Und das komplette Sieben­gebirge, die Sieben Schwaben, Sieben Sachsen und Sieben Bürgen mit ihren Siebenbürgenmeilenstiefeln und dem siebten Weltwunder, dem Siebennasenbär.
Aber es ist ja nicht so, dass dieser Mann nicht auch kritisch wär. Ganz im Gegenteil:
„Wenn die ökologischen Dogmatiker den Wald aus­schließlich über empirische Daten wie Sauerstoff, Koh­lenstoff und die Anzahl der Bäume definieren und nicht auch über das Gefühl, das wir durch den Wald empfinden, das wir durch die Anmu­tung und durch das uns verborgene Leben der Insekten, der Pilze, der Säugetiere und Vögel erfahren, dann,“ ja, wat dann? „dann entgeht ihnen einfach vieles.“ Ach so.
Grölemeyer, meine Damen und Herren, ist einer von dieser kritischen Spezies, die, kaum steht se im Wald, sofort beginnt, die Bäume zu betatschen und zu umarmen. „Den Baum spüren – den Baum fühlen!“ Wenn Bäume weglaufen könnten, äh ... oder anders ausgedrückt:
Hinter diesem ganzen Waldsterben muss doch noch irgendwas andres stecken! Egal. Weiter:
„Zu der lebendigen Wirklichkeit des Waldes gehört auch der Gesang der Nachtigall ebenso wie das Häs­chen, das ich nur um die Ecke lugen sehe. Das mich aber sofort im Herzen er­greift.“ Halt stop, noch mal kurz zurück! Die Nachtigall, Herr Doktor,ja, sie tiriliert sich zwar ordent­lich einen untern Bürzel – auch heute noch, aber … aber nicht im Wald, sondern in Dickichten so wie in verwilderten Hecken und in Wiesen und offenen Parklandschaften, also auf weiter, weiter Flur. Ich mein’ nur. Und, ähm... von ’nem Waldhasen, mein Lieber, hab ich mein’ Lebtag noch nix gehört, geschweige denn gesehen.
Aber reden Sie ruhig weiter! War ja interessant. „Und vielleicht spürt es dies sogar.” ... er meint jetzt das, äh ... Waldhäschen. „Und möglicher­weise ist da ja auch viel mehr.“ Ja? Wat denn? „Wir erleben ja nicht nur das unmittelbar Anrührende dieses Tieres,”(das es gar nicht gibt.) „Es geschieht in dem, was sich zwi­schen dem Mensch und dem anderen Geschöpf abspielt, etwas Wesentliches.“ So, so! Etwas Wesentliches!
Ich vermute einfach mal, dass es im Wald etwas dunkel war und der Doktor diesen Waldhasen mit einem mittelgroßen Rumpelstielzchen verwechselt hat. Und dass er einen - vor allem in deutschen Gegenden – weitverbreiteten Vogel hat: die riesengroße Riesenmeise.

Zum Schluss noch 'ne ganz schlimme Nachricht:
„Über die Hälfte der 6000 weltweiten Sprachen sind vom Aussterben bedroht.“
Ja, und leider nicht die von Prof. Dr. med. Grölemeyer.

Dez. 2006
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