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Abrakadabra am Beispiel Kölle

„Das große Kölner Buch der Religionen“ von Hrsg. Ulrich Harbecke

Meine Damen und Herren!
Wer wissen will, was die Menschen alles so glauben, der muss nicht unbedingt in die Welt hinaus. Der kann auch in Köln bleiben. Und sich stattdessen diese fette Multi-Kulti-Bibel reinpfeifen, so ne Art außer- irdischen Stadtführer, mit Namen, Stadtplänen und Adressen und allem heiligen Drum und Dran!
In Köln, meine Damen und Herren, dem ur-ewigen Pappnasenparadies, gibt’s ja bekanntlich nix, wat et nicht gibt. Hier hat sich alles versammelt, was weltweit in Sachen Jenseits, Sackhüpfen und Springprozession so Rang und Namen hat. Neben den original 5 fabelhaften Weltklassikern, die wa alle kennen - vom Ollen Testament über Rhama-Drama, Kopftuch, Kreuzigung bis hin zur Wiedergeburt und zurück - hammer in Köln vor allem noch obendrein 95 ganz spezielle Spezial-Unterabteilungen wie z.B. die »Aleviten und Alawiten, Wahabiten, Salafiten, Sunni-
ten, Schiiten und Sufiten«, »die Jesus-Freaks und Heilsarmee, die Zeugen Jehovas, afghanische Buddhas«
und alle »Heiligen der Gralsbewegung« … jetzt nur so als Beispiel. Insgesamt, meine Damen und Herren, 100 verschiedene, ziemlich phantasievolle Vereine! Die aber alle 3 Dinge gemeinsam haben:
1.: Se können sich alle gegenseitig nicht ab,
2.: Se wollen alle datselbe, »Wahrheit, Frieden, Nächstenliebe«, und
3.: Se können sich alle gegenseitig nicht ab.

Und deswegen ist es auch wohl ganz praktisch, wenn die Sozialdezer- nentin der Stadt Köln im Geleitwort schreibt:
»Liebe Leserinnen und Leser! Dieses Buch hilft uns, ein vertieftes Verständnis zu wecken und Menschen anderer Religionszugehörigkeit mit Respekt zu begegnen.« Mmmmhjaah!
Ich war natürlich gespannt, ob dat mit dem Respekt auch bei mir funktio­niert. Ich sag mal so: äh, eher schwierig. Aber wie sieht’s bei Ihnen aus, meine Damen und Herren? Haben se Lust auf nen kleinen Ausritt? Okay. Aber bitte anschnallen!
Liebe Gläubigen!
Seitdem ich diese feine Fabelfibel durchgeackert hab, bin ich felsenfest davon überzeugt: Die tiefste und verständnisvollste Erweckung holen se sich auf jeden Fall bei den gesegneten »Babalawos«.
Bei den »Babalavos«!!! Den gesegneten!
Die treiben nämlich »Ifana«. An manchen Tagen sogar »Yoruba«..Ja! Das muss aber vorher vom »eingeweihten Kopf-Orakel« bestätigt werden. Oder vom »obersten Orisha«. Je nach dem, ob er grade da ist. Dann sind se aber auch schon quasi neugeboren. Wollense Telefon-Nummer? Kann ich Ihnen geben.

Oder Se nehmen sich ’n Besen und fliegen damit jeden 2. Freitag um Punkt acht Uhr zu den »Hexen der Wiccas«! Ins »Bürgerhaus Köln-Kalk. Mühlheimer Straße 58.«
Zum gemeinsamen »Pentagramm-Zeichnen«. Oder Ränen-Rutzeln, äh, »Runen-Rätseln«. Da kriegense dann Respekt vor der »Großen Göttin«! Aber hallo. Und werden später vielleicht selber sogar son ge­hörnter Fruchtbarkeits-Vicca!
(Die Wiccas sind übrigens … das ist ganz interessant … man lernt ja immer wieder dazu … die Wiccas sind auch für die Regenwälder. Und
für dies und das. Aber nur so nebenbei.)

Wie? Wat? Zweimal im Monat ist zu wenig? Wie sind Sie denn drauf?
Na gut: Dann eben jeden Donnerstag in gemütlicher Runde apokryphe Texte lesen, und zwar kostenlos, … d.h. völlig umsonst … Texte von »Sai Baba".
Sai Baba!!! Mein Gott! Dem »am meisten verehrten spirituellen Lehrer unserer Zeit«! Ist natürlich ne viel intensivere Begegnung. Muss man vorher wissen!
Häh? Wer Sai Baba is?
Sai Baba is so'n schmales Männeken aus Indien. Sai Baba hatte mit
14 Jahren schon beschlossen, er, Sai Baba, sei die Inkarnation von
Sai Baba und ist seitdem Sai Baba. Außerdem hat er ne sehr schöne orangene Kutte an und nen riesigen Afro. So’n Teil! Irre! Unglaublich!
Is n Foto von ihm drin hier! Wahnsinn! (Können se jetzt nich sehen.
Weil dat Buch zugeklappt ist.)

Ja, ja, jetzt denken se bestimmt: Ach, komm … nu nimmt der extra nur son total abseitiges Zeugs, was keine Sau kennt! Kann uns ja was vom Pferd erzählen! ... Ja. … Könnt ich auch. …Tu ich aber nich. … … Alles echt hier!
Okay: Nehm ich eben wat anderes!
Wat halten se z.B. von den, äh … »Mormonen«? Die kennense doch, oder? Ja,ja,ja! Glauben Sie!! Ne evangelische Super-Sondertruppe. Die »Kirche Jesu Christi der Heiligen der letzten Tage«! Komm, ich les Ihnen mal wat vor. Bevor’s zu spät is. Aus dem Religionsbuch hier. Über die … Mormonen! Dann wissen se aber Bescheid:
»Im Jahre 1820 hatte der amerikanische Farmersohn Joseph Smith eine Vision, in der ihm Gottvater und Jesus Christus empfahlen, sich keiner der bestehenden Kirchen anzuschlie­ßen, da deren Glaubensbekenntnisse allesamt falsch seien.« Hähä! Ich mein nur: Von wegen Respekt! … Egal. Weiter: »7 Jahre später teilte er mit, durch einen Engel Prophezeiungen erhalten zu haben, die in reformägyptischer Sprache (!) auf goldene Platten geschrieben waren.« … Äh, Reformägyptische Sprache! Gibt’s nich! Hab ich nachgegoogelt. Bei Google … Reformägyptische Sprache gibt’s nich. Nicht ein Eintrag! Alles simpel erfunden. Alles Humbug, Mumpitz, Quatsch mit Sauce! Hier: bbsssst! Oder wie ich immer sag: Schwerstes Meisen-Geschwurbel. Aber egal. Kann ja erzählen, wat er will. Is ja Erzählfreiheit! Hat er also »Prophezeiungen erhalten, die in reformägyptischer Sprache auf goldene Platten geschrieben waren.Er übersetzte die Texte und so entstand "Das Buch Mormon". Die goldenen Platten aber musste er dem Engel wieder zurückgeben … « Hmmmjaah.
Is jetzt blöd. War aber so.
Was aber steht nun in dem Buche der Mormonen? Dat wolln wa jetzt natürlich auch alle ganz genau wissen! Nun:
»Das Buch Mormon erzählt die Einwanderung von Israeliten in den nordamerikanischen Kontinent nach dem Turmbau zu Babel.« Also genau 2000 Jahre vor Kolumbus! Jetzt sagen se nich: „Dat kann doch sein!“ Dat kann eben nicht sein! Weiter: »Die Einwan­derer teilten sich in zwei Völker, in die gottlosen Lamaniten und die frommen Nephiten. Den Nephiten erschien Jesus Christus dann nach seiner Himmelfahrt.« Ok. Dat kann natürlich sein … »500 Jahre später wurden die Nephiten jedoch von den gottlosen Lamaniten in einer großen Schlacht vernichtet. Ei­ner von ihnen hieß Moroni und hatte noch Zeit, die goldnen Platten zu beschriften …« Hey! Wat is? Komm! Noch 2 Sätze! »Die Lamaniten aber bestrafte Gott mit einer dunklen Hautfarbe. Sie wurden die Vorfahren der Indianer.« Hugh!
Und so geht das hier vier volle Seiten lang! In dem großen Kölner Buch der Religionen. Mit einem Vorwort von Ministerpräsident Jürgen Rüttgers. Dem Sprachfehler Gottes!
Dieser Juppi Schmitz, meine Damen und Herren, der Typ, der sich da
mals diese Mormonen ausgedacht hatte, wurde übrigens 1844 wegen seiner ewigen Vielweiberei verhaftet und ist dann kurz darauf von einer sog. »aufgebrachten Menge« umgenietet worden.
Na ja, wenn se mich fragen: Auch kein Wunder! Zurzeit tummeln sich jedenfalls über 13 Millionen Mormonen auf diesem armen Planeten. Und genau 430 hier bei uns in Köln. (Warum auch immer. Wahrscheinlich wegen Weiberfastnacht.)

So, meine Damen und Herren!
Det waren jetzt die Hormonen, … äh, Mormonen. Ich würd Ihnen ja nun zu gerne noch die restlichen 93 Vereine vorstellen. Einfach aus tiefem Respekt! Aber ich seh schon an Ihren Gesichtern … Wir haben nicht so viel Zeit. Und ehrlich gesagt: Soooo wahnsinnig viele Unterschiede ... zwischen Mormonen und … äh … Katholen .… also … ppfffffff … Okay. Manche behaupten: Der Teufel steckt im Detail! Dann aber auch bei allen.

Unterm Strich, meine Damen und Herren, waren mir die Jungs von Hare Krishna noch am liebsten. Kennen se auch noch, ne?
»Hare Krishna, Hare Krishna,
Krishna, Krishna, Hare, Hare,
Hare Rama, Hare Rama,
Rama, Rama, Hare, Hare.«

Haben aber alle ne Glatze.
Die Frauen auch.
Danke schön.

Aug. 2009
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