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Krankheit als Weg

„Das Défilee der hohen Rösser“ von Norbert Blüm

Liebe Leser!
Als Uri Geller vor kurzem – nach 30 Jahren Abstinenz – abermals Milli-
onen von deutschen Fernsehnasen die Löffel verbog, saß auf der Couch von Günter Jauch noch ein armer Irrer: der staatlich geprüfte Psychopath und urige Vertreter der christlichen Soziallehre, Maschinen­schlosser und 3. Bildungsweg Norbert Blüm. Noch während der Sendung rief Nobbys Frau im RTL-Studio an und vermeldete fröhlich, dass zwar nicht das Ehepaar Blüm, dafür aber ihre alte Küchenuhr jetzt wieder richtig ticke.
Norbert Blüm schreibt im Vorwort:
„Ich habe mir weder die Zeit ausgewählt, in der ich geboren wurde, noch die Eltern, die mich in die Welt gesetzt haben.“
Na, prima! Immer die alte Leier. Ewig sind’s die andern schuld. Egal.
„Das meiste, was mein Leben ausmacht, war Zufall, Gnade, Schicksal. Nenne es, wie du willst.“ Ja, Nobby! Mach ich auch!
Also: Zufall kanns ja wohl nich gewesen sein. Und Gnade schon mal gar nicht. Schicksal – ja, das haut schon eher hin. Nur hinter deinen Löffeln, Uhren und Tassen im Schrank, hinter deiner Frau, den Kindern und den Enkeln, der Karriere und deinen beispiellosen Büchern muss wer anders stecken! Aber wer? Uri, der Firlefanz? Nee, Uri kann nur Löffel verbiegen, nicht ganz banane Menschen. Das muss ein Blüm schon selber tün. Und richtig:
„Einiges von dem, was ich niedergeschrieben habe, ist das Ergebnis langen Nachbrütens; oder entstand sogar aus Lust und Laune. Wie die Nahrungsauf­nahme dient mir das Schrei­ben als eine Art Stoff­wechsel.“
Wozu bekanntlich, meine Damen und Herren, auch die Ausscheidung gehört. Andernfalls wäre er ja auch geplatzt, vor lauter Ideen, unser kleiner Stoffwechsler. „Die Rente ist sicher,“ war auch so ’ne Idee.
***
Liebe Leser! Ich bitte Sie vielmals um Entschuldigung, falls Sie sich zu Tode langweilen. Aber der Mann ist nun mal so. Derkannnichanders. Der Untertitel seines Buches heißt "Nachdenkliches, gerade heraus".
***
Doch wie kam es dazu? War es wirklich Zufall? Oder ... Helmut Kohl? Oder wieder dieser Hitler? Oder eine nicht-therapierte Form auffälligen Verhaltens in früher Kindheit? Oder gar der liebe Gott? Nee, aber so ähnlich. Es war „die Zwergschule“! Ja, „die Zwergschule von Schafhausen“: Der kleine Nobby besuchte nämlich seinerzeit wie viele andere Zwerge auch die Zwergschule von Schafhausen hinter den sieben Pfälzer Bergen und wurd dort sofort Klassenbester in Zwergenaufstand:
„Konzentration durch Abschalten von allem Drum­herum habe ich in der Zwergschule von Schafhausen gelernt. Das war ei­ne Übung, von der ich ein ganzes Leben lang gezehrt habe.“ Hört, hört! Kinder, Penner & Politleichen plaudern aus der Grube!
„Ich hätte die vielen unendlich langweiligen Sitzun­gen, in de­nen zwar schon alles gesagt war, aber noch nicht von allen, nicht ohne Schaden für meinen Kopf überlebt, wenn mir nicht in der Schafhausener Zwerg­schule das Abschalten beige­bracht worden wär, das einem den Freiraum verschafft, den eigenen Gedan­ken nachzugehen.“ In jenen öden Bundestags­sitzungen muss übrigens sein Hauptwerk,die Zombifibel „Die Glücks­margerite“, entstanden sein. „Am Ende eines jeden Schultages bekam ein Kind mit Hilfe gelber Kreide eine ‚Goldene Nase’ verpasst. Das war das tägliche Honorar für besondere Leistungen. Das ganze Dorf lauerte darauf, wer heute wieder das sichtbare Lob eingeheimst hatte. Deshalb stand der Heimweg immer unter erhöhter Dorf-Beobachtung.“ Ob mit gelben Nasen oder Sternen – unser Dorf soll schöner werden! „Die Goldene Nase wurde immer auf­fällig transportiert: Hoch erhobenen Hauptes, und am besten auf der Straßenmitte.“ Kamma ma sehn! Der Nobby vonne Zwergschule! Schon damals ’ne Gefahr für die All­gemeinheit! „Ich habe auch zuweilen eine Goldene Nase nach Hause getragen. Ehrlich gesagt, nicht allzu oft. Denn ein Musterschüler war ich eben nicht. Die pädagogischen Experten würden mich heute nämlich als ‚verhaltensauffälliges Kind’ abstempeln.“ Richtig, richtig, Herr Blüm! Beziehungsweise falsch! Sie haben ganz Recht! „Menschen abstempeln!“ ist wirk­lich das Letzte! Menschen abstempeln tut man nicht! Denn ein Mensch, der einfach abgestempelt wird, hat es auf seinem weiteren Lebensweg zumeist sehr schwer. Und doch werden gerade heute Menschen immer wieder jeden Tag einfach abgestempelt. Es tut gut, dass Sie das anprangern, weil es menschenverachtend ist, Menschen abzustempeln.
(Ach, wo wir grad bei dem Thema sind: Könnten Sie nicht auch mal ein komplettes Buch darüber schreiben, wie Menschen heutzutage immer wieder einfach abgestempelt werden? Das wäre fein.)
Nun, Stempel hin, Stempel her. Aber gehen wir Recht in der Annahme, dass Ihre Selbst­diagnose „Verhaltensauffälligkeit“ Sie doch mit eini­gem Stolz erfüllt? Ja, ne? Und so wollen wir Ihren alten Zwergschullehrer dafür loben, dass er Sie damals nicht einfach abgestempelt hat. Ohne Ihren grob fahrlässigen Zwergschullehrer wären Sie nämlich sonst nie die füh­ren­de, nicht wegzuätzende, verhaltensauffälligste Humor-Hämorrhoide der deutschen Unterhaltungspolitik ge­worden, die Sie seit Jahrzehnten geben. Wo alle andern den Arsch zukneifen, da machen Sie ihn auf und uns den Meisterquerdenker und nimmersatten Stoffwechsler von Schaf­hausen:
„Ich wünsche mir eine Welt ohne Elend.“
Oder:
„Wie sieht die Zukunft aus? Ich weiß es nicht.“
Was der Nobby aber sicher weiß, ist dieses:
„Kapitalismus und Sozialismus haben versagt. Nirgendwo
auf der Welt haben sie die Hoffnung der Menschen erfüllt. Sozialismus und Kapitalismus hatten genügend Zeit, zu beweisen, was sie können. Nirgendwo hat es geklappt. Kapitalismus und Sozialis­mus haben keine Ausreden mehr. Die rote Fahne ist getränkt vom Blut Ermordeter, und die Straße des Kapitalismus ist von Elend und Ausbeutung flankiert."

Weil Nobby jedoch der Mann mit dem goldenen Riecher is, kennt er
auch eine nagelneue Methode, wie man die Welt wieder hin kriegt:
„Niemals in den letzten hundert Jahren waren die Chancen
für eine christliche Soziallehre so gut wie heute.“

Und wie es sich für nen verhaltensauffälligen Arschknubbel im Dienste christlicher Menschheitsverschrottung geziemt, macht der Träger des Ordens wider den tierischen Ernst auch nicht vor Karnevalswitzen halt:
„Papst Johannes Paul II. ist ein Leuchtturm in der Nacht der Gottlosigkeit.“
Jawoll! Tätä, tätä!!
Konfetti, Humba, Tusch, Rakete, Luftschlange, Tusch und Abmarsch.
Nobbylein!
Ich freu mich auf dein nächstes Büchlein, das ja vielleicht den Titel trägt:
„Wie Menschen heutzutage einfach immer wieder abgestempelt werden –
Noch mehr Nachdenkliches und noch mehr grade heraus“
Gute Nacht.

Nachtrag:
Blümchen ist nicht nur ein netter, knuddeliger, drolliger Opi. Er ist auch abgrundtief ehrlich. Nicht umsonst gibt er so frei­mütig zu, dass er das Kritzeln für seinen Stoffwechsel benötigt. Beim Thema Israel muss man allerdings nicht bis zum bittren Ende warten - da stinkt es schon im Kopf. Wie bei rund 99% aller Deutschen. Ach, wie fühlte sich der Nobby doch noch pudelwohl, als er vor einiger Zeit zusammen mit Möllemann, Arafat, seinem goldenen Riecher und den 99% im Rücken dicke, deutsche Ver­antwortungstränen ob des sog. „israelischen Vernichtungskrieges gegen das palästinensische Volk“ vergoss! Ach, wie ging das zu Herzen! Nur das einsame eine Prozent wollte nicht mitflennen, und es brummte dem Blümelein hurtig einen aufe Mütze. Oder war es sogar der Mossad? In Nobbys Fall jedoch sind Worte so wie Gewalt vergebliche Liebesmüh. Genauso wie Deutschland kein Sitz im Weltsicherheitsrat zusteht, weil man auch keinen mehrfach verurteilten Kinderficker zum Leiter einer Grundschule machen sollte, so kann man auch keinen alten Baum verpflanzen. Und solange bei Blüm nicht mal das Organ lokali­sierbar ist, mit dem er vorgibt zu denken, sind selbst Haue für die Katz. Und Stoffwechsel bleibt nun mal Stoffwechsel:
„Ich habe vor einiger Zeit einen Hilferuf aus Bethle­hem an die Öffentlichkeit weitergeleitet und dabei von Vernichtungskrieg gesprochen. Das Wort hat eine Welle der Entrüstung ausge­löst. Mir wäre lieb gewe­sen, wenn auch nur halb so viel Em­pörung gegen die Sache mobilisiert worden wäre wie gegen das Wort, das der Sache Ausdruck verleihen sollte.
Wo doch hierzulande das Thema geradezu totgeschwiegen wird.
Es geht schließlich nicht um Philologie, sondern um Liebe zu den Menschen.
Ach, Gottchen. Ich ziehe den Begriff zurück. Er gibt zur Verwechs­lung mit der Sprache der Nazis Anlass. So, so! Mit der Sprache! Ich bezeichne Scharons Politik nicht mehr als 'Vernichtungskrieg', sondern nenne sie 'verbrecherisch'. Das reicht.“
Nee, Blüm!
Nich 'das'!
Sondern 'es'!
ES reicht!
Idiot!
Aber was soll's! Es wird bei dir so sein wie im alten Kindergartenvers:
"Zebrastreifen, Zebrastreifen,
manche wer'n dich nie begreifen!"

Feb. 2005
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