Das Tagebuch

30.12.17
So. Morgen is Schluss.
Und so wird’s wohl weitergeh'n
Fritzi Busch:
„Mit Nazis reden“: Diese Forderung steht derzeit hoch im Kurs. Wie macht man das, und wie erfolgreich ist es?
Klaus Theweleit:
Ich weiß nicht, wie man das macht, ich hab's auch nie probiert, und ich habe es auch nicht vor. Nazis gehen immer davon aus, dass irgendwer aus ihrer Umgebung oder aus der Welt wegmuss; das endet, wenn sie politisch die Macht haben, im Töten. Vernünftige Leute, die ich in letzter Zeit dazu gelesen habe, sagen, Faschismus ist keine Meinung, sondern eine Form von Kriminalität. Mit Politkri­minellen rede ich freiwillig nicht. Ich würde eher sagen: Tritt in den Arsch, verpisst euch!
Fritzi Busch:
Es funktioniert also nicht?
Klaus Theweleit:
Überhaupt nicht. Die Leute wissen ja selbst, dass sie Fake-Zeug verbreiten. Und wer weiß, dass, was er erzählt, nicht stimmt, ist mit Fakten oder Gespräch nicht zu erreichen und zu widerlegen. Also: „Vergnügt euch an euch selbst in eurem Sachsen-, Meck-Pomm- oder Bayernwald.“
(…)
Fritzi Busch:
Sozialdemokratie? Aber was ist das noch?
Klaus Theweleit:
Genau das, was da gemacht wird. SPD und CDU werden bekannt­lich immer weniger unterscheidbar …
Fritzi Busch:
Verschärfung der Asylgesetzgebung, Klientelpolitik, das ist dann Sozialdemokratie?
Klaus Theweleit:
Ja. Das ist ihre Sorte Populismus: Wir lassen ein paar mehr rein, aber irgendwann ist auch Schluss. Alles aus - „menschlich“ gut begründeter – Opportunität. Die SPD geht daran zugrunde, dass alle mehr oder weniger sozialdemokratisch werden, den Minimalkonsens gut angepassten Sozialverhaltens übernehmen.
Polterer á la Dobrindt fallen unangenehm auf. Dass Claudia Roth sich mit dem Schmierenanwalt Kubicki duzt, fällt nicht unangenehm auf. Die 'Taz' umschmeichelt den Lindner; die Linkspartei fordert, die SPD möge wieder richtig sozialdemokratisch werden. Cohn-Bendit schätzt Merkel. Alles gute, mittlere Sozialdemokraten. Schröder ar­beitet daran, dass Putin auch ein solcher wird. Sie erhöhen alle paar Wochen den Hartz-IV-Satz, den Mindestlohn und die Renten um o,4 Prozent und gönnen, mehrheitlich, auch den Flüchtlingen ein biss­chen was. Von Unmenschen regiert werden wir nicht.
(aus: konkret 1/2018)
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