Das Tagebuch

5.10.20
Noch mal kurz zurück zum 3. Oktober
Bei der zentralen Propagandashow zum 30. Jahrestag der sog. Deutschen Einheit, die die politische Kaste in der Potsdamer Gebetsmühle St. Peter und Paul mit corona-bedingtem Minimal-Tamtam beging, hielt der für solche Zwecke erfundene Frank-Walter Steinmeier eine, ja, eine Rede und rief dabei zu einer sog. „kriti­schen Auseinandersetzung mit dem Vereinigungsprozess“ auf. Ziemlich wörtlich hieß es also aus dem berufenen Munde des Bundesdingsda:
„Dazu gehört auch, dass wir offen über Fehler und Ungerechtig­keiten sprechen. 30 Jahre nach der Wiedervereinigung ist Deutsch­land noch längst nicht so weit, wie es sein sollte.“ Ach was! Und weiter? Und so weiter sprach unser gesamtdeutsches Sandmänn­chen:
„Der Umbruch hat die Menschen im Osten ungleich härter als im Westen getroffen. Es gibt noch immer zu viele Geschichten zer­störter Biografien ...“ An der Stelle sah man da in der ehrwürdigen Gebetsmühle zu Potsdam die ersten Äuglein sich ver­feuchten. Und vom eigenen Sermon ergriffen fuhr der empathische Nebelkerzen­werfer fort:
„Geschichten entwerteter Qualifikationen, von Orten, in denen ganze Generationen fehlten, weil die Jungen dort keine Zukunft gesehen haben und weggegangen waren.“ Angesichts solcherart gesalbten Worte gab‘s dann auch kein Halten mehr. Sturzbächen gleich gingen der andächtigen Gemeinde die Tränen nun massen­haft auf Reisen. Ihr Präsident aber bohrte weiter unverdrossen in den offenen Wunden, erinnerte daran,
„dass sich viele Ostdeutsche abgehängt fühlen. Wenn Menschen sich dauerhaft zurückgesetzt fühlen, wenn ihre Sichtweise nicht vor­kommt in der politischen Debatte, wenn ...“ Fühlen, fühlen, fühlen! Was heisst denn hier 'Fühlen'? Auf welchem Mond lebst du denn, du Steinmeier!?, brüllte ich tonlos dazwischen. Doch der Präsident war nicht mehr zu stoppen:
„Wenn sie den Glauben an die eigene Gestaltungsmacht verlieren, dann ..." Ja was dann?! „dann darf uns das eben nicht kalt lassen!" Ach so! So das Staatoberhaupt und 1. Heizdeckenschamane der Nation:
„Dann bröckelt der Zusammenhalt, dann steigt das Misstrauen in Politik, dann ...“, ja dann, dann, dann „wächst der Nährboden für Populismus und extremistische Parteien.“
Ja, und dann … dann hörte man, wie sich draussen ein gewaltiges Un­wetter zusammenbraute. Immer bedrohlicher trommelte der Regen aufs Dach und Gemüt, Donner, Blitze, Hagelsturm und Wolkenbruch ohne Unter­laß. Und plötzlich verfinsterte sich der Himmel, die Erde tat sich auf und die heilige Gebetsmühle zu Potsdam stürzte mitsamt ihrem gläubigen Inhalt in die unendliche Tiefe der brodelnden Finsternis ...
Und in der apokalyptischen Stille, die sich fortan ausbreitete, hörte ich die Stimme von Judith Rakers:
„Und nun das Wetter von morgen.“ Ich zuckte zusammen. Ich war wohl eingeschlafen. Bei der Tagesschau. Tag der Einheit, Stein­meier, Potsdam, Nährboden für Extremismus … war das alles nur ein böser Traum?
Oder fake …
Ehrlich gesagt, ich weiß es nicht mehr.
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