Das Tagebuch

28.4.21
Okay, times they are a-changin‘ …
… das wissen wa ja. Aber dass sie sich sooo ändern …!
Früher, als Otto Normal hierzulande z.B. praktisch jeden Tag be­fürchtete, dass am nächsten Morgen nicht der Postbote sondern eine Horde bis an die Zähne bewaffneter Russen vor der Haustür stünde, und der Verfassungsschutz deswegen alles, was sich links von Nor­bert Blüms Arbeitnehmer­flügel verortete, unter seine von Haus aus schon mehr als zwielichtige Lupe zu nehmen hatte, konnte sich ein kritischer Geist mit zwei drei kurzen Gedankengängen noch einiger­maßen in der deutschen Wirklichkeit zurecht finden. Die Objekte der Beobach­tung passten ja zu ihrer Umgebung, waren ja in ihrer Mehrheit Vertreter einer zumin­dest relativen Rationalität, Prakti­kanten einer wie auch immer irgendwie nachvoll­ziehbaren Denk­richtung.
Heute – die Kommunisten sind passé, die Sozialisten ebenso, die ähm, Sozialdemokratie auf gutem Weg, die Anarchisten sowieso – heute sieht die Sache etwas anders aus. Heute muss der Verfas­sungsschutz – und zum ersten Mal hätte diese Bezeichnung auch einen Sinn – die sog. „Querdenker-Bewegung“ beobachten, eine Sammlung von selbst­bewußten Vollidioten, Hohl-, Hall- und Knall­köpfen, eine bunte, militante Mischung ausgesuchter Blödmänner nebst blödem Anhang, eine – wenn die sozialen Medien rufen – sofort herbeimarschieren­de, auf Krawall gebürstete Menschenherde mit nichts als dem pu­ren Nichts in ihren leeren Hirnschalen, das zu sich gekommene „identitäre“, deutsch-egomane Nazi-Pack eben, das sich seit Pegida und AfD mehr und mehr aus den Löchern traut und wachsender Beliebtheit erfreut.
Die Situation ist sogesehen neu. Die hat es meineserachtens so auch noch nicht gegeben. Ja, die Zeiten haben sich geändert. Nur glaube ich nicht - ich kann‘s mir jedenfalls nicht so recht vorstellen -, dass uns ausge­rechnet nun der Verfassungsschutz hier …
(Sorry, bin z.Z. wohl mit meinem Kirchenlatein ziemlich am Ende. Melde mich aber direkt zurück, sobald ich wieder etwas durchblicke ... Mal sehen ...)

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Hallihallo. da bin ich auch schon wieder!
Der Buchtipp für den Rest des Monats und darüber hinaus
Gerade, deshalb selber noch nicht gelesen, postum von Herrn Bittermann herausgegeben. Zwar sind die Texte schon 30 Jahre alt, aber wenn sie so erhellend sind wie alle anderen von Wolfgang Pohrt, helfen sie für den aktuell nötigen Durchblick mit Sicherheit:
„Multikulturelle Gesellschaft -
Rassismus für den gehobenen Bedarf
Zwei Vorträge (1989 und 1992)“
von Wolfgang Pohrt
und einem Vorwort von Dietmar Dath,
Edition Tiamat
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