Das Tagebuch

3.5.21
Sachen gibt‘s, die gibt‘s ...
Ende Mai wird Professor Jürgen Habermas, einer der wichtigsten lebenden Sozialphilosophen unserer Tage und nebenbei Erfinder der „Theorie des kommunikativen Handelns“, nach Abu Dhabi fliegen, zu Herrn Mohamed bin Zayed, dem Kronprinzen von Abu Dhabi und Herrscher über die Vereinigten Arabischen Emirate, um den „Sheikh Zayed Book Award“ entgegennehmen, eine der mit 225.000 Euro am höchsten dotierten Auszeichnungen für Autoren, die auf der Welt vergeben werden.
(Im Folgenden erspare ich mir und Ihnen eine nähere Beschreibung der zum Himmel schreienden Verhältnisse in dem dortigen Verei­nigten Arabischen Schweinesystem. Das nur am Rande.)
Wenn man in der handelsüblichen Außenpolitik nicht gerade auf Krieg hinaus will, sondern – wie es der Normalfall eben so vorgibt – mit sogenannten friedlichen Mitteln irgendwas erreichen will, muss man internatio­nal an­erkannte diplomatische Standards einhalten und in bestimm­ten Situationen bei bestimmten Gesprächen mit be­stimmten Leuten je nach Toleranzgrenze halt privat sich verschärft irgendwie die Nase zuhalten.
(Ich persönlich könnte weder das eine noch das andere. Bin aber auch gottseidank kein Außenminister. Das nur am Rande.)
Zurück zu Habermas. Habermas will mit Sicherheit keinen Krieg. Habermas muss auch nicht da unten den Außenmichel markieren. Habermas muss mit seinen 91 Jahren auch nich noch um die halbe Welt düsen. Habermas muss als alter Mann nicht noch arabisch lernen. Habermas muss niemendem mehr was beweisen. Habermas muss gar nix mehr. Habermas muss nur ab und zu Pippi, wie jeder ältere Herr. Ich auch. (Das nur ...)
Er braucht weder das Geld noch die Hochachtung von einem unver­besserlichen Schweinefürsten. Aber was will er dann da? Wenn er das Preisgeld annehmen und dann spenden würde, zum Beispiel einer Frauenorganisation, die sich für das Recht auf Führen eines PKWs einsetzt, unter Lebensgefahr. Aber davon war bisher nicht die Rede.
Ich schätze mal, er weiß es selber nicht. Als kleiner Nebeneffekt seiner Reise und der halbwegs offenen Kommunikation wird er jedoch vielleicht den einen kleinen Webfehler in seiner Theorie des kom­munikativen Handelns entdecken: Dass man sich nämlich auch gegenseitig totlabern kann und des öfteren im Leben gezwungen sieht, mal anständig, ordentlich und mit Schmackes auf die Kacke hauen zu müssen, um überhaupt I R G E N Dwas zu bewegen.
P.s.:
Schon seinem um Längen heftigeren Lehrer Adorno gab man sei­nerzeit zu bedenken, er solle sich doch zu Tode adornieren. Und dafür hätte der nicht mal in die Vereinigten Arabischen Emirate gemusst. (Das nur am Rande.)
Na, wir werden sehen.

Post p.s.:
Und dass es so schnell ging, mein lieber Habermas!
Einen Tag nach dem gestrigen ‚Spiegel‘-Artikel ist es passiert:
Habermas hat den Rückzieher vollbracht! Er sagt, mit der Annahme des Preises hätte er einen Fehler gemacht. Und so dürfen sich die Vereinigten Arabischen Emirate nun einen andern Doofen suchen, mit dem sie die Welt verarschen können.
Allertiefste Verneigung und Riesenrespekt!
Mit seinem begründeten Meinungswandel und der daraus folgenden Handlung der klassischen Verweigerung hat er – wenn man das mal so platt und popul ...är sagen darf – für die arg strapazierte Hoff­nung der Menschheit auf ein besseres Leben und für die wiederbe­lebte Erkenntnis, dass Protest & Widerstand nicht immer im Sande verlaufen müssen, mehr bewirkt als mit seinen vielen, den meisten Leuten wohl eher rätselhaften Büchern. (Das nur ...)
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