Das Tagebuch

9.7.21
Eine Träne geht auf Reisen
Bis gestern hieß es auf Plakaten und Aufklebern der Münchener Verkehrsgesellschaft (MVG) noch: „Schwarzfahren kostet 60 Euro!“ Jetzt lautet der Spruch „Ehrlich fährt am längsten“. Auch in Berlin hat man keine Kosten, Mühen und irre Angriffe auf den Restver­stand gescheut im Kampf gegen den äh … gegen den, ja, gegen wen wohl … man höre & staune, jawollja, gegen den Rassismus! Das Berliner Springer-Blatt B.Z. findet das aus naheliegenden Gründen übrigens nicht so gut:
„Auch die Berliner Verkehrsgesellschaft (BVG) hat das Wort ‚Schwarzfahren‘ aus der internen und externen Kommunikation verbannt, um nicht in Rassismus-Verdacht zu geraten, nachdem der rot-grüne Berliner Senat im September 2020 ein sogenanntes ‚Diversity-Programm‘ beschlossen hatte.“
Man könnte das alles natürlich auch für einen lustigen Metropolen­witz halten, halt für unvermeidliche Auswüchse der "antirassisti­schen" Gehirnwäschepädagogen aus der Gender-Sternchen-Fraktion, oder ein Loblied auf den typischen Münchener resp. Ber­liner Humor anstimmen – wenn, ja, wenn der Begriff „Schwarzfah­ren“ lustiger­weise auch nur im Entferntesten was mit Rassismus zu tun hätte. Dem üst aba nich so, ihr oberurbanen Kulturbol­schewisten! Gegenüber der Münchner Abendzeitung erklärte der Sprachwissen­schaftler Eric Fuß denn auch, dass „der Ausdruck 'Schwarzfahrer' von dem jiddischen Wort 'shvarts' (Armut) komme und also Men­schen bezeichne, die zu arm sind, sich ein Ticket zu kaufen.“
Die Frage ist jetzt nur:
Was tun? Bzw. Was nun? Oder in Kiez-art: Was macht das mit uns? Höchstwahrscheinlich - wie immer - gar nix. Aber die weni­gen Schwarzen in München, Berlin und anderswo sollten sich vielleicht beizeiten darauf einstellen, von Rassisten aller Art in Deutschland nicht nur hin und wieder durch die Stadt gejagt und totgeschlagen, sondern auch totgeliebt zu werden.
Mord bei Um­armung.
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Für alle, die‘s genauer wissen wollen:
„Das Schluchzen des weissen Mannes“, Rotbuch, 1984 (vergr.)
„Der Schuldkomplex“, Pantheon, 2006
„Der eingebildete Rassismus“, Edition Tiamat, 2017
von Pascal Bruckner
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