Das Tagebuch

7.1.22
„Amerika, du hast es besser“
Johann W. Goethe
„Und im Anschluss an diese ‚Tagesthemen‘ nun der sehr sehens­werte Dokumentarfilm ‚Der Sturm auf das Kapitol‘.“ (Ingo Zam­peroni)
Und wenn man so freundlich gebeten wird, dann will man dem ja auch gerne folgen. Also biddeschön:
90 Minuten aneinandergeklöppeltes, „teils bisher unveröffentlichtes Material“, private Videoschnipsel und O-Töne von einem hirnlosen, primitiven, patriotischen, durchgeknallten, (quasi)-religiösen, wei­ßen Lynchmob und Dumpfbackenpack, das seit der letzten Wahl objektiv als die mit knapp 50 Prozent ausgewiesene dunkle Seite Amerikas gelten kann, zwischendurch vereinzelte Kommentare von traumatisierten, zu Tode verängstigten Zeugen der Gegenseite, dazu praktisch kaum Analysen des Dokumentaristen, dafür aber permanente, vielsagende Untermalung mit dramatischer Musik, übrigens eine mittlerweile schon alltäglich angewandte, nervtöten­de Funk- und Fernsehmarotte, damit auch der allerletzte kulturin­dustrielle TV-Vollidiot merkt: Hallo, jetzt wird‘s noch spannen­der bzw. noch schlimmer oder noch ekliger, je nach individueller Ge­schmacksrichtung, auf jeden Fall: Dranbleiben! .
Dass „Der Sturm auf das Kapitol“ unter Trump-Liebhabern ein rasen­der Dauer-Blockbuster werden wird, kann man sich ja an zwei aus­gestreckten Mittelfingern ausrechnen.
Hier in diesem Land dürfte der Fall etwas anders liegen. Von offizi­eller Anstaltseite heißt es gewöhnlich „In unverbrüchlicher Freund­schaft und Bündnistreue verbunden,“ was nicht zufällig schon nach vorauseilender Trauertränenarbeit beim Ableben verhasster Ver­wandten klingt. Der gewöhnliche, amerikafeindliche deutsche Fern­sehgucker aber, für den ja der armselige Streifen produziert wurde, bekommt mit ihm eine Extra-Portion Happy-Happi und ist angenehm kino-gruselig beglückt wie beim „Exorzisten“, ist entzückt zu sehen, dass „der Ami“ ja wohl noch bekloppter und so weiter ist als ge­dacht. Und schon ist das deutsche Volk 1,2,3 auf seinem doch echt schwierigen Weg der Wiedergutwerdung wieder glücklich ein paar Zentimeter weitergekommen.
Aber hat das deutsche Lamento über den Idioten Trump und seine idiotischen Anhänger nicht auch was unbedingt Komisches an sich? Oder direkt mal andersrum gefragt:
Was sind denn knapp 50 Prozent gegen praktisch 100 Prozent?
Und was 4 Jahre gegen 12?
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