Das Tagebuch

21.4.22
Aus der Serie
„Aaah! Heute mal was ganz was Neues!“
Und es steht in allen Zeitungen, die Sie hier kriegen können:
„Der Verfassungsschutz warnt: Antisemitismus erreicht Mitte der Gesellschaft“
Wie? Äh… „...erreicht die Mitte der …“!? Wo war der denn dann vorher?
Es sei „erschreckend, dass antisemitische Narrative mitunter bis in die Mitte der deutschen Gesellschaft anschlussfähig sind.“ So der Verfassungsschutz.
So, so. Den Antisemitismus, eine Ideologie, die mit ihrem „theore­tischen“ Rüstzeug heute als eine klassische Ausgeburt der Mittel­schicht gilt und in ihrer Praxis auf direktem Weg nach Auschwitz führte, zum großen Zivilisationsbruch im 20. Jahrhundert, zum allgemein anerkannten Verbrechen gegen die Menschheit, bezeich­net der Verfassungsschutz - und ein banalerer Begriff ist ihm wohl nicht eingefallen – als „erschreckend“. Man fragt sich, ging‘s nicht noch 'ne Spur banaler? Doch sicher!
Die Mörderpropaganda, die lockere Rede über die Vernichtung der europäischen Juden, verklärt er zum modischen Füllhorn „antise­mitischer Narrative“, das „mitunter“, also irgendwie hier und da quasi diskursmäßig, „anschlussfähig“ wird, dem Verlauf einer Pest­epidemie nicht un­ähnlich, einer Massenparanoia oder Österreich '38, und lustigerweise ausgerechnet bei denen, die ihn ja gerade erfunden hatten, womit man nebenbei die „Mitte der deutschen Gesellschaft“ mit feinem Gespür säuberlich kurzerhand exkulpiert und zum eigentlichen, armen Opfer stilisiert hatte.
Und so wissen wir denn nun auch, wofür wir hier unbedingt diesen Verfassungsschutz brauchen.
P.s.:
In Kurzform zum Mitschreiben: Präsident des Verfassungsschutzes ist übrigens seit 2018 Thomas Haldenwang, laut Wikipedia, „CDU-Mit­glied und evangelischen Glaubens.“ Sein Vorgänger war ein gewisser Hans-Georg Maaßen (2012-2018), CDU-Mitglied und erklärtermaßen antisemitischen Glaubens. Und allein in so 6 Jahren kann man schon einiges herrichten und vernichten.
zum Tagebuch