Das Tagebuch

9.11.22
Let‘s talk about Beleidigung
(Das, was gestern nur quasi als Fußnote zu der Dobrindt-Nummer gedacht war, nahm im Laufe der Nacht immer mehr an Umfang zu, so dass ich erst heute damit fertig wurde.)
Doch worum geht‘s?
Nun, im Rahmen meiner automatischen, permanenten freiwilligen Selbstkontrolle war mir aufgefallen, dass der eine oder andere Tagebuchkonsument die Dobrindt-Stellen möglicherweise wieder als übelste Beleidigung anders gearteter Menschen empfinden könnte. „Immer diese Verbalinjurien!“ heißt es dann. „Das geht doch nach hinten los! Damit tust du dir keinen Gefallen. Die Leser lesen dann einfach nicht weiter! Das Florett solltest du bedienen, der Säbel schreckt nur ab. Außerdem ist das voll asi, du Arsch!“ und so weiter und so weiter.
Meistens sag ich dann flott: „Aber wat mutt, dat mutt.“ oder „Ich will auch mal was für Asis schreiben!“ Und gehe sodann zur Tages­ordnung über.
Nur, das ist gar nicht der Punkt. Der ganz normale Verbalinjurien­verächter hat bei seiner Kritik ja meist nicht die dubiosen Leute im Sinn, für die er angeblich spricht, sondern schlicht und ergreifend sich selber. Und damit können wir zwei, so meine ich, doch recht gut leben. Eine wesentliche Gruppe allerdings – und das gebe ich gerne zu - kommt in dieser simplen Rechnung gar nicht vor, und das sind die berühmten Betroffenen mit ihren berühmten Betroffen­heitsgefühlen.
Jetzt sind diese Betroffenen und ihr Gedöns für mich normalerweise ja vollkommen uninteressant. Doch heute möchte ich ihnen, den mo­dernen Beleidigten und Ernierigten vielleicht etwas Bleibendes ver­mitteln.
So höret mich an, ihr Armen im Geiste,
was ich euch zu sagen hätte!
Äh, nur noch eins vorweg: Beleidigungen im realen Leben sind auch für mich eher zwiespältig & meistens nicht besonders 'zielführend'. Beleidigungen in satirischen Texten und Zusammenhängen wie die hier im „Tagebuch“ sind – im krassen Gegensatz zu allgemeinen, privaten und öffentlichen Hasspredigten - immer, wenn nicht gerade große, dann doch wenig­stens Kleinkunst. Und was sind schon eure pisseli­gen Gefühle gegen die Freiheit der Kunst?
Also, liebe Sportsfreunde!
Die Frage, die zu klären wäre, lautet also nicht „Was ist eigentlich eine Beleidigung?“ Die staatliche Antwort gibt im Zweifelsfall spä­ter irgendein inkompetentes Gericht und das wegen mir auch im Namen dieses Volkes.
Nein, DIE Beleidigung als solche gibt‘s gar nicht; es gibt nur sehr unterschiedliche Sichtweisen. Für den einen is et ne Belei­digung, für den andern eben nich. Und dazwischen liegen noch die ganzen ebenso undefinierbaren Grautöne. Aber – und das wissen wir aus Erfahrung - es will sich der Beleidigte und Erniedrigte doch dazu un­bedingt irgendwie verhalten. Und ich hab da einige Vor­schläge:
Von mir aus können sich die Betroffenen den Umstand, dass sie hier in den inkriminierten Texten überhaupt erwähnt werden, ja auch als Orden an die Brust heften. Andere werden, können oder wollen sich nur wochenlang aufregen und schwarz ärgern. Man kann sich die ganze Nummer auch an den Hut stecken, drüber lachen oder drüber weinen, gewalttätig werden, aus Frust‘n‘Ärger die eigenen Kinder vermöbeln. Da gibt‘s so viele Sachen, die er machen könnte. Er könnte es ignorieren oder begrüßen oder einfach zugeben, dass da komischerweise auch mal die Wahrheit usw. oder in seinem bevorzugten Schmier­blatt oder Drecksaccount einen Shitstorm auslösen, wie die andern Vollidioten es auch tun. Was sie aber alle zusammen immer können is: Mir mal im Mondschein begegnen. Und auch das is mir eher egal.
Achtung!
Doch auch bei mir kann manchmal die Grenze zur Nicht-Kunst über­schritten sein. Dann wird es allerdings ernst. Dann hab ich‘s auch genau so gemeint. Aber von wem sollte der Dobrindt denn jetzt erfahren haben, dass er hier so teuflisch inne Mangel genommen wurde?
Von mir jedenfalls nicht.
Ansonsten noch viel Spaß
euer w
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