Das Tagebuch

6.12.22
Zivilisationsbruch? Ick hör dir trapsen!
(Eigentlich gehört ein Eintrag wie dieser nicht in eine deutsche Witzesammlung. Aber egal. Vielleicht ja doch.)

Der Begriff „Zivilisationsbruch“ stammt vom jüdischen Historiker Dan Diner, der ihn seinerzeit aus gutem Grund einzig und allein nur auf den Holocaust bezogen haben wollte, den singulären industri­ellen Massenmord an den europäischen Juden, und alle (außer Nazis aller Art natürlich und ihre diversen Anverwandten) hatten sich zu­meist bis­her an die­se Sprachre­gelung gehalten und daran, dass man auf diesem apokalyptischen Planeten zwar mehr oder weniger alles miteinander vermanschen, verram­schen und verglei­chen kann, wie Äpfel mit Birnen, aber eben nicht gleichsetzen; wonach also z.B. eine mit hunderttausenden Hüh­nern vollgestopf­te Kloake eben auch kein Hühner-KZ und kein Ver­nichtungs­lager Auschwitz III, IV oder V ist, sondern eine nach mo­der­nen EU-Richtlinien ganz normale, ganz legale grauen­volle Hühnerzucht- und Eier­legefabrik.
Nun hat unsere ansonsten nie um flotte Wortfindungen verlegene Außenministerin diesen russischen Angriffskrieg auf die Ukrai­ne auch als Zivilisationsbruch bezeichnet!
Man könnte jetzt wie gehabt und wie gewohnt den Baerbockmist überhören, ignorieren und friedlich vergessen. Doch sie steht mit ihrem tendenziell begriffauflösenden Wörtergeklingel nicht alleine da. Die mentale Budenzauberei hat seit ‘45 System und dient dem stram­men „deutschen Volke“ bei seiner Erlösung und Wiederaufer­stehung, in erster Linie unterm Strich, gleichsam „Unterm Radar“ *) also nur der Selbstentschuldung, Reinwaschung und Wie­dergutwer­dung. Oder, ja, oder man könnte die nette Dame auch fragen: Warum? (Die is ja nich total doof.)
Aber ich frage nicht mehr.
Mein Interesse an einer Gesellschaft, die sich mehrheitlich gern euphorisch selbst zu einem Volk zusammendichtet, das es nicht gibt, nie gab und nie geben wird, aus der nach jeder kritischen Äußerung über egalwas ein nicht enden wollender Shitsturm loszu­brettern droht und einem andererseits wie das Kriegsgeschrei von denkfau­len Friedensaposteln sofort der herrsch­süchtige, barbari­sche Erste Lehr­satz der „Repressiven Toleranz“ entgegendonnert „Ja, das ist deine Meinung. Die Anderen haben eben eine andere“ und damit jegli­chen Disput und nicht-genehmen Gedanken effekti­ver eliminieren kann als jeder mit seinen Atombomben rumjong­lierender Drecksdiktator ...,
also, mein überbordendes Interesse an dieser Gesellschaft, meine Lieben, ist quasi, ähm, über Bord gegangen, hat sich im Laufe der Zeit - wie soll ich sagen - ein klein wenig ver­flüchtigt.
Wie gesagt, ich frage nicht mehr.
Ma gucken, wie‘s Wetter morgen wird.

*) So heißt die neue Platte von Danny Dziuk, die im Februar '23 in die Öffentlichkeit gelangt.
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