Das Tagebuch

14.4.23
Tratsch im Treppenhaus
Wer sagt denn so was? Ja, wer sagt denn bloß so was?
„Die ossis sind entweder Kommunisten oder faschisten. Dazwischen tun sie es nicht. Eklig.“
Oder das hier:
„Die Ossis werden nie Demokraten.Vielleicht sollte man aus der ehemaligen DDR eine Agrar- und Produktionsszone mit Einheitslohn machen.“
Oder auch so was hier:
„Umweltpolitik – ich bin sehr für den Klimawandel. Zivilisationspha­sen der Wärme waren immer erfolgreicher als solche der Kälte. Wir sollten den Klimawandel nicht bekämpfen, sondern uns darauf ein­stellen.“
Oder sollte man lieber fragen: Wer glaubt denn, mit diesem alten Gestänker noch irgendwen hinterm Ofen hervorlocken zu können? Wobei die beiden Ossi-Analysen gar nicht mal soo falsch lagen und der Klimawandelwitz nach dem ganzganz armen, verschimmelten Humor der herrschenden Klasse roch.
Nun, es war für die angesehene, liberale „Zeit“ wohl wieder an der Zeit, einen „Zeit“-typischen, betulichen Popanz aufzublasen, um sich in die letzten, noch nicht ganz abgestorbenen Hirnzellen ihres dahinsiechenden, stolzen Stammpublikums in Erinnerung zu rufen. Und so machte man sich ans Werk.
Die Parole hieß: Alles, was ihr Lieblingsfeind, der Herr Mathias Döpfner, seit über 20 Jahren der Herrscher über den Axel-Springer-Verlag, in letzter Zeit an Schund und Schande so zusammenzupin­seln sich geleistet hatte, zu sammeln, und siehe da, es kam bei der Fleißarbeit auch ein hübsches Dossierlein bei rum, jedenfalls eine extraüberlange Bleiwüstenlitanei in der aktuellen „Zeit“-Ausgabe. Wo auch solche Wortschätze aus der Steinzeit an die Luft befördert wurden wie „Merkel, ein Sargnagel der Demokratie“. Und all das stammte nicht etwa aus seinen offiziellen Veröffentlichungen, sondern aus dem privaten Twit­ter-Account des nicht ganz so sauberen Herrn Döpfner und Onkels aus der Stadt, der sie tatsächlich nicht mehr alle auf der Latte hatte.
Werte „Zeit“-Zeilenschinder, dass der Herr Döpfner sich nicht mal die Mühe macht, aus seiner digitalen Privatlaberei vor der Verpos­tung der Welt wenigstens die Tippfehler zu eliminieren, sollte Sie doch an Ihre ureigenen Maxime erinnern, dass das Rumschnüffeln in der privaten, nur für den internen Hausgebrauch bestimmten Poste­rei, mit sog. investigativem Journalismus nix aba nada zu tun hat. Und mit serösem schon mal gar nix. Tratsch im Treppenhaus halt. That's all.
Das einzig interessante an der voyeuristischen Sprüchesammlung ist die auffällige Ausklammerung der „Bild-Zeitung“, für die der Döpf­ner qua Chefsessel ja mitverantwortlich zeichnet, wenn sie wieder mal ihr wahres Wesen zu erkennen gibt als führendes Zentralorgan in Sachen Rassismus, Chauvinismus und Menschenverhetzung, als das größte und erfolg­reichste Drecksblatt Europas.
Aber da ist die „Zeit“, die bekanntlich alle Wunden heilt, höchst wahr­scheinlich auch gar nicht so unglücklich drüber, dass der Kol­lege Döpfner ihnen eben diese Drecksarbeit so schön abnimmt. Und Dreck fällt im Kapitalismus (Oh,pardon, wollte sagen:) hier immer an. Arbeit, die getan werden muss. Sonst läuft der Laden nicht. Der Kollateralschadenladen. Oder erläuft eben ohne uns. Wolln wir das?
Es gibt viel zu tun! Packen wir es an!
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