Das Tagebuch

26.4.23
Und alle hinterher
Das ‚Handelsblatt‘ weiß, wo‘s lang geht. Und das weiß es von der SPD:
„Berlin – Die SPD-Bundestagsfraktion fordert deutliche Fortschritte für die Etablierung der Raumfahrt in Deutschland. Vor allem brau­che es eine eigene Infrastruktur, haben die Sozialdemokraten in einem Konzeptpapier festgehalten, das am Dienstag durch die Frak­tion beschlossen werden soll. In dem Dokument, das dem Handels­blatt vorliegt, heißt es: ‚Deutschland benötigt unabhängigen Zugang zum Weltraum.‘“
Hab ich das richtig verstanden?
Deutschland benötigt unabhängigen Zugang zum Weltraum? Is ja zum Schießen. Andererseits aber auch logisch, ehrlich, konsequent und verständlich – eben sozialdemokratisch.
Zugegeben, in den Abertausenden von Jahren gefahrvoller und wenig ergiebiger Rumkraxelei in den Bäumen germanischer Wälder und stupendem Steinekloppen in jener Zeit für nix und wider nix war von der Sehnsucht nach den Weiten des Weltalls herzlich wenig zu spüren. Aber damals gab es ja auch noch nicht die SPD.
Das schaute dann bei dem doch relativ kurzlebigen ‚Heiligen Römi­schen Reich deutscher Nation‘ schon etwas anders aus. Und unser Deutschland, der letzte Penner unter den europäischen Imperia­listen – zog sich – wenn ich das mal so formulieren darf – kurzent­schlossen die Schnellfickerschuhe an – und los ging sie, die gott­gewollte, kollektive, alles rechtfertigende Suche nach seinem gebührenden 'Platz an der Sonne‘. Die Goldmedaille für den 1. Völkermord im 20. Jahrhundert ging an Germany. Die Nama und Hereros waren ab da Geschichte, fertig, aus. Kein Hahn krähte danach. Deutschland war jetzt endlich mal wer, respektiert und will­kommen im Club.
Im weiteren Verlauf der globalen Geschäfte benötigten irgend­welche sog. Schlafwandler in Deutschland dann irgendwann ir­gendwelche Kriegskre­dite, die SPD sagte wieder Ja und Amen.
Vier Jahre später nach dem bis dato größten Völkergemetzel der Weltgeschichte mussten die Deutschen wieder eine Pause einlegen. Doch nach einer gewissenlosen Rekonvaleszentzeit holte man mit vereinten Kräften und Freuden zum Befreiungsschlag aus. Unter dem Schlachtruf „Volk ohne Raum“ sollte aus allem, was nicht deutsch war, „Gehacktes gemacht werden“. Das Endergebnis belief sich auf über 50 Millonen Tote, viel Raum ohne Volk und der Holo­caust blieb eine bis heute unübertroffene Spitzenleistung deutscher Phantasie und Organisationskunst, so simpel „Made in Germany“.
Danach war erst mal latent Ruhe im Karton. Doch die hielt nicht lang, und ratzfatz ging‘s weiter mit den Benötigungen: Erst die sog. friedliche Volkswerdung im volkseigenen Sumpf inklusive peu à peu Osterweiterung am laufenden Bundesverdienst­kreuz­bande. Außer­dem musste man ein klein wenig auf die Linie achten, Stichwort Veggiday, nebenbei wurden 20 sehr praktische Übungsjahre in den Disziplinen Täuschen, Tarnen und Verpissen in Kannitverstan ange­boten mit gutem Salär, Kost und Logis frei. Und dann gab's was ganz was Neues: Außenpolitik in lila!
Ja, ähnt nü ?
Also, ich wüsste es nicht. Aber die SPD:
„Deutschland benötigt unabhängigen Zugang zum Weltraum!“
Hm. Wat willste da noch zu sagen?
Die SPD im Andromedanebel, vielleicht. Und alle hinterher.
(Irgendwie, ähm, auf die SPD war doch immer irgendwie Verlass.)
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