Das Tagebuch

18.1.24
Kitsch as Kitsch can
Kap. 1
Eine Frage der Kommunikation?
Weil das Nazi-Wort von der „Lügenpresse“ pure Propaganda ist und der Rest ansonsten hundertzwanzigprozentiger Querdenkerquatsch, dem mit Ar­gumenten nicht beizukommen ist; weil Argumente sich immer an Re­alitäten messen müssen und Realitäten bei Nazis nicht vorkommen - deswegen sind Gespräche mit Nazis auch immer so furchtbar unfruchtbar, enervierend sinnlos und führen zu nichts.
Kap. 2
Die Presse lügt nicht.
Die Presse kann ungenau sein. Die Presse kann übertreiben und untertreiben. Sie kann zu früh kommen, aber auch zu spät kommen. Sie kann Fehler machen und manchmal wieder gut­machen. Sie kann auch selber falsch informiert sein. Sie kann liberal sein, überparteilich und unabhängig, sie kann spannend, spießig, flott und seriös sein. Die Presse, sie kann eher links und eher rechts und sie kann das alles auch mehr oder weniger sein, sie kann Kampagnen reiten, zum Bürgerkrieg aufstacheln oder so tun als ob, sie kann die Polizei rufen, nach Neuwahlen und nach dem Henker rufen. Sie kann zur Not auch Kanzler. Sie kann alles mögliche, auch mal völlig daneben liegen. Nur:
Lügen, das kann sie nicht. Denn lügte sie, wär sie über kurz oder lang ratzifatzi weg vom Fenster. Die Menschen lieben die Lüge, ja, aber nicht den Lügner.
Kap. 3
Und der ‚Kölner Stadtanzeiger‘?
Der Kölner Stadtanzeiger, der das auch alles sein könnte, hat heute mit seiner Seite 3, wo er wegen der Länge der Artikel norma­lerweise besondere Sorgfalt walten lässt, eine Brandmauer eingerissen, was ihm, wenn er so weiter macht, in Bälde das Genick brechen wird. Der Artikel mit der Überschrift „Aufstehen für die Demokratie“ sollte wohl wie ein normaler Zeitungsbericht über die Anti-AfD-Demonstration vom Dienstag erscheinen, ist aber nur 'ne affirmative Lobes­hymne, dient der Redaktion in eigener Sache als Selbstpositionierung und entwickelt sich gen Schluss zu einem demonstrativ hochengagierten Appell und Aufruf für die nächste Demo am kommenden Sonntag - und wäre alles in allem eine stinknormale Anzeige, der nur der Hinweis fehlt, dass es sich um ne Anzeige handelt.
Kap. 4
Wie kommt so was?
Die Redaktion des Kölner Stadtanzeigers erklärt sich selber:
„Der KStA als digitales Nachrichtenportal und Zeitung begleitet die Politik, berichtet über Licht und Schatten gesellschaftlicher Verän­derung. Es zählt zu unserem Selbstverständnis als Redaktion, die Demokratie zu stärken gegen Angriffe von Rechtsaußen wie von Linksaußen. (…) Wir lieben die Vielfalt unserer Stadt, die Lebenslust, das immer etwas Chaotische, nicht ganz so Reglementierte, niemals Stubenreine, aber auch die Gastfreundschaft und Offenheit für Le­bensformen, Kulturen und Sprachen, die erst seltsam anmuten und kurz darauf zum Alltag gehören.“
Dieser für eine sich seriös haltende überregionale Tageszeitung un­fassbare Wörterbrei aus Populismen aller Art, pseudokritischem Getue, Arschkriecherei und einem schier endlosen Binsenge­quake wurde geadelt und gekrönt durch Parolen auf selbst besprüh­ten Transpa­renten wie z.B. „Menschenrechte statt rechte Menschen“, „Liebe Migranten, ihr gehört zu uns!" und der für eine Großdemo gegen Hass und Hetze besonders passenden, originellen These „Ganz Köln hasst die AfD!“
Kap. 5
Lange Rede, kurzer Sinn:
Weder die „Demo“ und ihre Teilnehmer noch die sich gleichge­schaltete Stadtanzeiger-Redaktion können für sich die Zuschreibung „Widerstand“ in Anspruch nehmen. Es gibt aber einen anderen, einen guten, - wenn es denn so gewesen ist, wie es im Stadtanzeiger stand - einen rundum zutreffenden Begriff für dieses Anti-AfD-Theater - man nennt so was auch:
KITSCH.

P.s.:
„Einen guten Journalisten erkennt man daran, dass er sich nicht gemein macht mit einer Sache, auch nicht mit einer guten Sache.“ (Hanns-Joachim Friedrichs)
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