Für den eher unwahrscheinlichen Fall, in einer Fernsehanstalt eine einigermaßen befriedigende Diskussion zwischen den diversen Antagonisten, den Unversöhnlichen, hinzubekommen, müsste man erst mal im Vorfeld abklären, welche Wörter man gedenkt zu benutzen und sich bei denen auf eine gemeinsame Definition einigen, damit es nicht zugeht wie bei George Orwells „1984“, wo aus „Krieg Frieden, aus Freiheit Sklaverei und aus Unwissenheit Stärke“ wurde. Das gilt ausschließlich für alle Wörter, angefangen beim Wort „Zensur“ und endet bei „Adam und Eva“; von Begriffen wie „Demokratie“ ganz zu schweigen. Selbst scheinbar unschuldige Wörter wie „und“ müssten auf Eindeutigkeit abgeklopft werden; ebenso solche, die nur mit ’nem Komma zu haben sind, wie beispielsweise „als, dass, so dass, bis dass, seit, seitdem, indem, falls, während, ob, obwohl, da, damit, nachdem, weil, wenn, bevor, obschon, ehe, bis, sobald“ *), da kommt immer ’n Komma vor. Und mit: Komma her, mach mal ’n Punkt! kommt man da auch nicht gemeinsam weiter. Denn sobald die Diskursteilnehmer wie beim Turmbau zu Babel in unterschiedlichen Sprachen aufeinander los palavern, darf man sich nicht wundern, wenn da erst recht nix bei rum kommt.
Gesetzt den Fall, man hätte jedoch das Wörterdefinitionsproblem
im Vorfeld gelöst, hammer auch schon das nächste Sprachproblem am Hals: die unterschiedlichen Sprachen. Was nützt es denn, wenn es z.B. um Probleme mit China geht und sich auch ein Chines in die Runde verirrt hat, der Chinese aber nur Chinesisch kann und seinen Kontrabaß mal wieder … nee, komm, das wird mir hier jetzt echt zu albern. Ich mach hier lieber mal n Punkt. Dasselbe Problem hätten wa aba auch mit Kisuaheli oder wie das heißt. Egal.
Sind die Sprachprobleme halbwegs gelöst, geht’s weiter mit der Gästeliste und der Sitzordnung bei diesen Talkshows. Warum sitzt der neben der und die neben dem? Und wieso schon wieder die Wagenknecht und der Lauterbach? Wo bleibt denn die Weidel? Und warum nicht auch mal der Höcke? Schließlich steht halb Thüringen hinter dem sein... und außerdem: Das sind jetzt alles Männer! Schon wieder nur Männer! Gibt’s denn keine Frauen mehr? Und seit Monaten kein einziger Ausländer mehr! Als ob wir keine mehr hätten. Und was ist mit den Juden? Davon hammer doch weiß Gott nun wirklich genug! Und der Typ mit dem Schimpansen und seinen bescheuerten Unterhemden! Was soll das denn? Der hat doch seine eigene Werbe-Sendung!
Und, und, und, und, und.
Kommen wir nun zum Hauptproblem. Kommen wir zum Parteienproporz und den Fragen: Was will der denn da und die denn da?
Die sind doch gar nicht reprä...reprä...repräsentativ!
Und was hat der Kommunist Scholz in der Runde zu suchen? Jajjaja, von mir aus auch ehemaliger Kommunist. Is mir doch egal.
Und diese Frage taucht auch immer wieder auf: Der ist doch schwul! Was hat der Schwule da verloren? Geht doch heute gar nicht um Schwule! Nee, ich hab nix gegen Schwule. Wieso?
Ist das alles gelöst, bleiben uns aber noch so einige Widrigkeiten.
Fangen wir mit der Moderation an … Ja, ich weiß. Es heißt immer noch „die“ Moderation. Ich weiß. Also:
Fangen wir mit die Moderation an:
Was hat denn die Caren da für unmögliche Klamotten an?
Und was ist mit ihren Haaren? Hat die keinen Kamm?
Oh, die ist aber alt geworden!
Und dann diese Schuhe! Wo hat se die denn her?
Ganz wichtiger Punkt, damit die Sendung nicht aus dem Ruder läuft:
Die Reaktion von den Gästen!
Was hat der Lauterbach denn da für Klamotten an? Und was für ne unmögliche Frisur! Hat der keinen Kamm?
Und alt ist der geworden!
Und dann die Schuhe von dem!
Wo hat er die denn her?
Und dafür zahl ich Fernsehgebühren?
Is ja eine absolute
Frechheit …
(Regieanweisung:
Langsam immer leiser werden … immer leiser, leiser, leiser, man hört nur noch:
Die ist aber, der ist aber, dafür zahl ich, ich Idiot, auch noch Rundfunkgebühren...
Fade out.)
((Komisch. Irgendwer muss mir wohl bei der Nummer was in den Tee geschüttet haben...))
*)
aus "Deutsch auf fröhliche Art"
von Ernst Ehehalt, Gehlen-Verlag, 1950
Das Tagebuch
5.2.25
Einige grundsätzliche konstruktive Gedanken
beim Konsum grausamer Talkshows
beim Konsum grausamer Talkshows