Trumpy ist nicht nur ein erfahrener Fernsehunterhaltungsverbrecher und Weltmeister darin, selbst die eigenen Firmen vor die Wand zu brettern. Er wird’s auch noch hinkriegen, die Erde mit einem Knopfdruck aus der Umlaufbahn zu kicken. Irgendwann wird er plötzlich eines Morgens ins OvalOffice reintänzeln und dabei einen gasgefüllten Ballon durchs Zimmer jonglieren wie Chaplin seinerzeit. Dass Trump gar nicht weiß, wer Hitler war und was Chaplin mit der Szene ausdrücken wollte, spielt bei einem Vollidioten seines Formats allerdings auch keine Rolle.
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Eine Stunde lang hatte Trump sich komplett desinteressiert Selenskijs drängelnde Bitten um umfangreichere Militärhilfen über sich ergehen lassen:
„Bei Verhandlungen mit Putin haben Sie keine Karten in der Hand, sodass einem übel werden kann. Ich habe es satt.“ Er zeige keinen Respekt vor den vielen Freunden, die ihm helfen wollten. Er spiele mit Millionen von Toten, er spiele mit dem 3. Weltkrieg. Und fügte noch hinzu: "Das hier wird noch ganz großes Fernsehen."
Das war der Startschuss für seinen Vize-Asi J.D.Vance, final auf Selenskij und dessen Ukraine einzudreschen. Einem tollwütigen Mastif gleich bellte J.D.Vance den Präsidenten der Ukraine an, er zeige keinen Respekt vor dem US-Präsidenten. Er wäre nur undankbar.
Es wäre an der Zeit, mal Respekt gegenüber dem amerikanischen Präsidenten zu erweisen. Usw, usw. Damit war dann auch diese Pressekonferenz Geschichte.
Und das alles live vor den Kameras der Welt. Ein Novum in der internationalen Diplomatie. Danach waren alle erst mal nur sprachlos.
Derweil eierte der erschütterte Selenskij wie ein traumatisierter 3Käsehoch, den der liebe Gott zu unrecht des Diebstahls eines Bonbon bezichtigt hatte, aus dem OvalOffice raus, um mal frische Luft zu tanken.
Dann meldete sich die Welt zurück. Frau
Baerbock erklärte:
„Eine neue Zeit der Ruchlosigkeit hat begonnen.“
Und Steinmeier meinte:
„Diplomatie scheitert, wenn Verhandlungspartner vor aller Welt gedemütigt werden. Die Szene gestern im Weissen Haus ließ mir den Atem stocken. Nie hätt ich geglaubt, dass wir einmal die Ukraine vor den USA in Schutz nehmen müssen.“
Wie sagten schon immer die uralten chinesischen Binsen: Es gibt eben nichts, was es nicht gibt.
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„Der Fluch des unaufhaltsamen Fortschritts
ist die unaufhaltsame Regression.“
Adorno, in „Dialektik der Aufklärung“ von Adorno / Horkheimer, 1947)
Nennen wir das neue Zeitalter der Einfachheit halber Primitivismus. Zum Wesen des Primitivismus gehört die historische Verwurzelung in vormals demokratischen Verhältnissen. Wobei sich die Mehrheit der Bevölkerung aus der Masse der Primitiven zusammensetzt.
Und zur Einführung in diese nicht ganz unkomplizierte Materie empfehle ich einfach das folgende Büchlein aus der 'Tagebuch'-Reihe "Texte zur Theorie und Praxis der Primitiven", mein Büchertipp für den Monat März:
„Freiheit und Finsternis
Wie die ‚Dialektik der Aufklärung‘
zum Jahrhundertbuch wurde“
von
Martin Mittelmeier
Siedler, 2021