Das Tagebuch

17.12.25
Uff, uff, uff!
Nach nochmaliger Lektüre
von Karl Mays „Old Surehand I und II“
Die nervtötenden, immergleichen, ausufernden Landschaftsbe­schreibungen, die man aber nach einiger Zeit mit etwas Leseroutine, ohne groß was zu verpassen, getrost überschlagen kann, und die groteske, absolut grenzenlose, phantastische Selbstvergottung des Autors lassen einen zwar schier verzweifeln und das unstillbare Bedürfnis wachsen, das Buch endgültig aus’m Fenster zu feuern, und trotzdem – aus welchem Grunde auch immer – bleibt man gebannt dran und kloppt es nicht in die Tonne, auch wenn im Regal kein Platz mehr ist für bessere Bücher.
Und das ist auch gut so. Denn pi x Daumen 60 Jahre nach der Erst­lektüre lernt man als Erwachsener aus diesen ehemaligen Jugendbü­chern, wie hartnäckig und ‚heillos‘ der Zwang für so einen wie Karl May gewesen war, seine Homosexualität literarisch zu verbrähmen. 1894. Zumindest die Betroffenen werden das beim Lesen wohl immer gespürt haben.
Was die begeisterte Leserschaft aber scheint’s nie mitgekriegt hat,
ist die Verteidigung eines visionären, utopischen Christentums, das ausdrücklich mit der Realität nichts, aber auch gar nichts zu tun hatte, und in dem nebenbei der übliche Antisemitismus keinen Platz hatte.
Ebenso der kämpferische, radikal-unbeirrbare Antirassismus, der sich durch beide Bücher durchzieht und nicht nur auf das Verhältnis zu den Indianern bezog. *) Dass ein durch und durch antirassisti­scher Karl May dann zum meistverkauften und meistgelesenen Bestseller­autoren wurde, wundert einen dann doch, zumal man diese wesentlichen Passagen, ohne den roten Faden zu verlieren, nicht überlesen kann - wie diese elenden Landschaftsbeschreibungen.
Da nützt es auch nichts zu wissen, dass Adolf Hitler ein glühender Verehrer von Karl May gewesen sein soll.
Da machste nix;
da kannste nur
gucken zu.
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*)
Natürlich war Karl May alias Old Shatterhand alias Kara Ben Nemsi ein Kind seiner rassistischen Zeit, die mit ihren Auswüchsen bis heute noch blüht und gedeiht. Aber kaum sprach irgendein Weißer von „Niggern“, holte May seinen ‚Henrystutzen‘ raus und verlangte mit der Waffe im Anschlag auf der Stelle eine Sprachänderung. Selbst die sympathischen Apatschen, denen bekanntermaßen ver­boten war zu klatschen, staunten über diesen alten weißen Mann regelmäßig Bauklötze.
"Wenn ich mich nicht irre, hihihi"
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