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13.9.20
Merkel legt sich fest
Wie aus dem Kanzleramt verlautet, hat sich die Bundeskanzlerin Angela Merkel mit sich auf ungefähr 150 unbegleitete minderjährige Geflüchtete geeinigt, nachdem 10 weitere europäische Staaten sich bereit erklärt hatten, die restlichen 350 zu übernehmen.
Und von einer Heiligsprechung H. Seehofers wollte sie ihrerseits nichts wissen oder gewusst haben.
14.9.20
„Was soll denn der Quatsch?“
Bezüglich der Aufnahme der obdachlosen Geflüchteten von Moria zeigte sich die Große Koalition am Wochenende selten so zerstrit­ten. Für 150 plädierte Horst Seehofer, Markus Söder nannte keine konkrete Zahl, war aber durchaus offen für ein paar mehr, Friedrich Merz („Was soll denn der Quatsch?“) verweigerte die Nennung einer bestimmten Zahl, hielt gleichwohl eine europäische Lösung für zwingend, aber nicht realistisch, Norbert Röttgen sprach von einem „christlich-demokratischen Anspruch“ und übern Daumen „5000“ und Arnim Laschet von mehr oder weniger.
Die SPD erzählte irgendwas von einem „einmaligen Notfall“, der „sich allerdings nicht wiederholen sollte.“ Parteichefin Soundso Esken sprach von einer „vierstelligen Zahl“ und meinte, Deutsch­land müsse in seiner aktuellen Position der „EU-Ratspräsidentschaft einen substanziellen Beitrag leisten“, Olaf Scholz war wohl irgend­wie „verhindert“ und Parteivize Kevin Kühnert forderte Seehofer zum sofortigen Rücktritt auf, sollte dieser seine Haltung nicht sofort ändern.
Und der traurige Rest?
Die Grünen nannten bislang keine konkrete Zahl. Aber es müssten mehr sein als die von Seehofer genannten 150 Menschen. Es gehe „hier nicht um einen deutschen Alleingang, sondern um Vorange­hen“, sagte Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt und wischte sich eine Strähne aus dem Gesicht. Und die Grünen-Chefin Annalena Baerbock plädierte dafür, die obdachlosen Men­schen von Moria auf Kreuzfahrtschiffe zu verteilen.
Die Linksfraktion forderte, Deutschland solle in diesem und auf jeden Fall im ersten Schritt alle Menschen, die durch die Brände in Moria obdachlos wurden, aufnehmen, soweit diese nicht in andre aufnah­mebereite Länder möchten. Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch forderte finanzielle Sanktionen gegen EU-Staaten, die sich weigern, Flüchtlinge aufzunehmen, und Parteichefin Katja Kipping hielt eine europaweite Verständigung für die beste Lösung.
Die FDP mahnte zu mehr Einsatz(gruppen?) für eine gemeinsame europäische Migrationspolitik. Das Jahr 2015 dürfe sich nicht wie­derholen.
Und die AfD lehnte nach wie vor eine Aufnahme von Flüchtlingen aus Griechenland strikt ab. Fraktionschef Alexander Gauland sprach von einem erneuten „katastrophalen Signal mit verheerender Sogwirkung“. Das dürfe nicht geschehen.
Was im Prinzip ja auch alle andern genau so unterschrieben haben würden, wenn keine Kamera läuft und der Ton abgeschaltet ist.
P.s.:
Komischerweise war von der Heiligsprechung Horst Seehofers durch Papst Franziskus (siehe Eintrag vom 12. September) überhaupt nicht mehr die Rede.
15.9.20
Etwas Licht im Dunklen
Youtube-Tipp der Woche:
„Jung und naiv“, Folge 421 und 474 mit Richard David Precht
Und meine Platte des Monats:
"Jarv is ..." von Jarvis Cocker
16.9.20
Kein Klimawandel, nirgends
Während seines Wahlkampfes machte der US-Oberförster Donald Trump eine kurze Stippvisite bei der Feuerwehr in Kalifornien, wo zur Zeit wie in Oregon und Washington die schlimmsten Waldbrände seit Jahrzehnten wüten, und gab beim Stichwort Klimawandel zum Besten:
„Es wird anfangen, kühler zu werden, Sie werden schon sehen.“
17.9.20
Dummheit und Stolz wachsen aufm selben Holz
Lange war er uns ein Büchlein mit sieben Siegeln, ein böhmisches Kaff oder auch einfach nur Armin, der Sensible, der Öcher-Laschet. Lange hatten wir gerätselt und lange mussten wir im Trübdunklen munkeln, ja, stocherten gleichsam blindlings im Nebel vergangener Gezeiten: Wie kam er her und wo kam der her? Aus welchem Blute, aus welcher Sippe oder Sipp- oder Suppschaft? Gab es vielleicht große Männer, gar große Weibspersonen, Gestalten von etwaiger geschichtlicher Gewichtigkeit in seiner, in unsrer äußerst langen Ahnenfolge von heute bis hin zu jener Aufbruch-Epoche, da neben Homo Weise ja auch der Neandertaler vom dunklen, schwarzen Kontinente die Reise nach Norden angetreten war, um sodann als letzter Nachkomme der Truppe – mit kurzem Zwischenaufenthalt im Aachener Öcher-Loch - schlussendlich, man ahnt es schon, in Düssel … ja,ja, in Düsseldorf seine Wurzeln zu verwurzeln?
Nun, das Rätselraten hat mit dem heutigen Tage sein vorläufig Ende gefunden. Die emsigen Jungjournalisten Moritz Küpper und Tobias Blasius haben mit dem Segen des Miniprä von NRW dem weitern Wuchern wilder Spekulationen, Fake-Legenden und (wie man heute zu formulieren pflegt)„Verschwörungserzählungen“ ein für alle Male den fruchtbaren Boden entzogen - und zwar mit ihrer würklich löb­lichen Armin Laschet-Lebensbeschreibung „Der Machtmenschliche“. Denn darin berichten sie von den Forschungsarbeiten des Hobby-Stammbaum- und Familienkundlers Patrick Laschet, seines Zeichens Bruder des Armin Laschets. Und der Autoren gar nicht mal so über­raschende Kernthese lautet denn auch:
„Armin Laschet stammt in 40. Generationenfolge erwiesenermaßen von Karl dem Großen ab.“
Ja, von dem großen Karl dem Großen! (Ich hätt' ja eher auf Armin der Cherusker getippt. Egal.)
Die Familie Laschet hatte so was schon immer irgendwie im Stillen geahnt (siehe auch „Ahnenforschung“), und schaut man in die fei­nen Gesichter all dieser Laschets, ist denn dort auch ein gewisser Anflug von dummdämlichen Stolz ob solcherart Abstammung wahr­lich nicht zu ver­leugnen.
Nun ja, wat sollet, shit happens, könnte man da abwinken und zur Tagesordnung ... aber halt!
Abgesehen davon, dass sich jetzt zwar alle Söder-, Merz- + Röttgen-Apostel getrost in ihren Allerwertesten beißen dürften, man aber andererseits mitnichten auf Sachen stolz sein kann, für die man ab­solut nix und wieder nix kann, stellt sich doch wohl sinniger die Frage, ob es nicht besser, opportun und weiser gewesen wäre, über die genetische oder sonst­wie verhunzt geartete Nähe zu diesem kollossalen Kaiserklopps & Königsklon eher den generösen Mantel des Stilleschweigens auszu­breiten.
Und überhaupt: Gehört es sich nicht in solchen Fällen Folgendes zu beachten? Man geht nicht hausieren mit seiner Abstammung von Leuten, schon gar nicht solchen Kalibers! Das tut man einfach nicht. Mach ich auch nicht, könnt‘ ich, tu ich aber nich‘, obwohl ich sogar - und bei Gott und King Ping Pong, das ist voll, krass und nichts als die Wahrheit - der Kaiser von China bin.
18.9.20
Polizisten mit leichtem Faible für Faschisten?
Wo gibt‘s denn so was?
Die ‚Rheinische Post‘ meint mitteilen zu müssen:
„Bei der Polizei in NRW werden 29 Beamte verdächtigt, an mindes­tens fünf rechtsextremen Chat-Gruppen beteiligt gewesen zu sein. Das teilte NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) am Mittwoch in Düsseldorf auf einer kurzfristig anberaumten Pressekonferenz mit. Alle Polizisten seien sofort vom Dienst suspendiert worden. Reul sprach von einer „Schande für die Polizei“ und betonte:
„Rechtsextreme und Neonazis haben bei der Polizei in NRW nichts zu suchen.“
Nee, aber anscheinend doch recht viel zu finden. Und in der ARD-Tagesschau hieß es:
„BKA-Chef Holger Münch fürchtet großen Vertrauensverlust in der Bevölkerung.“
Also, das halt ich aber nun wirklich für etwas mehr als übertrieben in diesem wunderbaren Land mit dieser wunderbar langen und weltberühmten Polizei-Tradition. Also ehrlich.
19.9.20
Neoliberal aus vollem Herzen
Nachdem er auf dem FDP-Parteitag am Wochenende schon seine erwartbar ekelige Lobeshymne auf die von ihm selber vor kurzen über Nacht abge­sägte Generalsekretärin Linda Teuteberg ange­stimmt hatte, zeigte Christian Lindner abschliessend mit einem kleinen Scherz noch mal allen, was eine richtige 1A-Arschkrampe ist, und gab den hier zum Besten:
„Ich denke gerne daran, Linda, dass wir in den vergangenen fünfzehn Monaten ungefähr 300 mal den Tag zusammen begonnen haben.“
Als der juvenile Altherrenwitzer im Saale nur ne Handvoll Lacher erntete, rollte er wie ein mittelmässiger Burgschauspieler die Augen und gab dem Rest des Publikums noch die erklärende Schlusspointe:
„Ich spreche über unser tägliches morgendliches Telefonat zur poli­tischen Lage, nicht, was ihr jetzt denkt.“
20.9.20
Und die Bibel hat doch Recht
Laut Entwicklungsorganisation Oxfam „bläst das reichste ein Pro­zent der Weltbevölkerung mehr als doppelt so viele klimaschädliche Kohlendioxid-Emissionen in die Atmosphäre wie die ärmere Hälfte der Menschheit zusammen.“
Jetzt muss man nur noch wissen, wo die alle wohnen. Aber wahr­scheinlich kriegen die dann wie üblich wieder nur zu hören, dass eher ein Kamel durchs Nadelöhr geht als sie. Oder so ähnlich.
21.9.20
Im Merzen der Bauer
Es geschah am helllichten Tage, als Mastermind Friedrich Merz im Jahre 2001 die Homosexualität des damaligen Berliner Stadtchefs Klaus Wowereit mit den Worten kommentierte:
„Solange der Wowereit sich mir nicht nähert, ist mir das egal.“
Nun, Zeiten und Menschen sollen sich ja manchmal ändern. Als der Moderator Kai Weise vor 2 Tagen in der ‚Bild‘-Talkshow „Die richti­gen Fragen“ den lieben Friedrich fragte, ob ein homosexueller Re­gierungschef für Merz „völlig normal“ sei, sagte der mal so:
„Ich sage mal so, über die Frage der sexuellen Orientierung, das geht die Öffentlichkeit nichts an. Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft.“
Tja, das war‘s dann wohl.
22.9.20
Wieder entdecktes Motto der Deutschen Bank
„Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen das Betreiben einer Bank?“