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15.9.22
Was man so weiß
Man weiß ja nie, wer hier jetzt was verschweigt, aus taktischen, strategischen oder diplomatischen Gründen verschweigen muss oder auch nur vergessen hat zu erwähnen. Beim alten, traditionsreichen, immergleichen Menschheitsspiel, dem ungeliebten Bruder hin und wieder die Möbel gradezurücken, das Haus in Schutt und Asche zu legen oder auch gleich der ganzen family die Rübe einzuschlagen, werden die Täter auf beiden Seiten der Barrikaden im beredten Beschweigen aber wohl eher einen Vorteil sehen. Wenn hinterher erst rauskommt, wer der böse Bube war ... nun ja, hinterher ist man immer etwas schlauer. (Mit Pazifismus ist dem Krieg leider, dieser eingeborenen Menschheitsmarotte, übrigens ganz schlecht beizukommen.) So gesehen läuft im aktuellen russisch-ukrainischen Bruderzwist auch alles wie gehabt. Nur eine Sache erscheint mir da irgendwie neu zu sein:
Jeder weiß und sieht und hört es jeden Tag, dass die eine Seite, die Ukraine, seit Ende der Sowjetunion nach Europa schreit bzw. nach europäischen Waffen, und damit diesem Putin aus dessen Sicht freihaus einen todsicheren Kriegsgrund beschert hat, wodurch die offizielle Propagandafloskel vom „russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine“ natürlich einen gewissen Hautgout bekommten hat.
Das weiß auch der deutsche Sozialdemokrat Olaf Scholz. Und der weiß auch, dass mit dem ewigen Geschrei nach Europa nicht unbe­dingt diese sagenumwobenen „europäischen Werte“ gemeint sind sondern nur die besseren europäischen Waffen.
Ich weiß jetzt nicht, was die Amis, Engländer und Franzosen davon halten, weil ich hier keine englischen und französischen Zeitungen lese. Ich schätze, die sagen sich: Sollen die Deutschen sich erst mal die Flossen verbrennen. Wir kommen dann später und helfen.
Ich weiß aber, dass Olaf Scholz anscheinend mittlerweile nur noch der einzige hier in diesem Saftladen ist mit einem einigermaßen intakten historischen Bewusstsein. (Die unerhebliche AfD und die sich selbstzerbröselnde Linke mal ausgenommen). Und alle sehen, wie ihnen dieses Europa mit seinem reaktionären Nationalistenwahn zur Zeit gewaltig um die Ohren fliegt. Und so ist auch die Zeit der deutschen Zurückhaltung also unwiderruflich passé. Gestritten wird nur noch darum, wer den Oberbefehlshaber geben soll in diesem „berechtigten ukrainischen Befreiungskampf vom russischen Joch“.
Während die Deutschen jedoch nichts wissen über die Ukraine, wissen die Ukrainer aber von den Deutschen, dass diese gerufen werden wollen. Deshalb bitten sie nicht, wie es normal Usus wäre, um Solidarität, sondern fordern direkt kackfrech und lautstark kriegsentscheidende Waffen. Und wenn ich einen oder zwei von diesen Klitschkos derart rumstinken sehe, sag ich ganz locker:
Mein lieber Sportsfreund, mit mir nicht!
So einfach ist das, Frau Baerbock.
18.9.22
„Tag des Handwerks“
Heute, am „Tag des Handwerks“ hat ein großer Handwerker das Wort er­griffen, der Bundesfinanzminister Christian Lindner, dem man ge­trost nachsagen kann, keinen Nagel grade in die Wand kloppen zu können, dafür aber in der Lage ist, sich 10000 legale Steuertricks selbst im Schlaf auf Chinesisch rückwärts runterzu­beten.
„Das Handwerk verkörpert die besten Tugenden unserer sozialen Marktwirtschaft, Leistung, Loyalität zum Standort und Verantwor­tung für die nächste Generation.“ Er selbst stamme aus einer Hand­werkerfamilie, und erklärt:
„Ich bin groß geworden in einer Backstube.“
Na, is ja auch okay. Nur, warum zum Teufel, biste dann da nich geblieben?
19.9.22
„Tag der Zivilcourage“
Jetzt geht‘s aber los!
„Der Tag der Zivilcourage findet seit 2015 jährlich am 19. Septem­ber statt. An diesem Tag werden in Deutschland bundesweit Aktio­nen durchgeführt, die Menschen ermutigen sollen, sich in der Öff­entlichkeit für den Schutz ihrer Mitmenschen gegen Beleidigung, Diskriminierung, Bedrohung, Rassismus, Kriminalität, Fremden­feindlichkeit und Gewalt einzusetzen.“ (WikiPedia)
Dass man hierzulande vielfach der Meinung ist, es bräuchte mehr Zivilcourage, kann man durchaus auch als Armutszeugnis verstehen.

P.s.:
Wie in anderen Ländern das Ding mit der Zivilcourage gehändelt wird, entzieht sich meiner Kenntnis. Die Franzosen verlassen sich wahrscheinlich auf ihr Gefühl. Jedenfalls sind die am nächsten Tag praktisch alle (oder fast alle) irgendwie auf der Straße.
In Deutschland tut sich von alleine gar nix. Erst wenn zwei haupt­amtliche Moralapostel der drei „großen“ Volksparteien offizielle Vertreter der Betroffenen auf Herz und Nieren bei "Anne Will" durch­gecheckt und diese dann durch Anne Will auch den halbstaat­lichen Segen der ARD bekommen haben, und erst wenn die Demo-Route haarklein mit der Polizei, dem BKA, den Krankenkassen, dem Verfassungsschutz und den Roten und Blauen Funken besprochen worden ist und der Demo-Anmelder schriftlich erklärt hat, jede kaputte Fensterscheibe aus eigener Tasche zu berappen, erst dann, ja, erst dann kann der Demo-Anmelder hingehen und … nein, halt, Stop!
Vorher müsste eigentlich noch die mittelständische Wirtschaft, naja, zumindest gefragt werden. Aber da die meisten Oberbür­germeister sich da aus Kulanzgründen weiter nicht undsoweiter undsoweiter undsoweiter.
Ach, lecken se mich doch.
20.9.22
Alles hat ein Ende, nur ...
Heute könnte der liebe Gott irgendwo wiederauferstehen, es würde wieder keine Sau mitkriegen: Die ganze Welt, so scheint es, hängt vor der Fernseh-Kiste und sieht zu, wie die Queen in ihre, etwas andere Kiste fährt.
Ich selber werde wohl den Tag im Bett verbringen und den Lieben Gott einen guten Mann sein lassen.
God shave the Queen!
21.9.22
Es gibt viel zu tun; lassen wir es sein
Die UNO hat den 21. September zum „Internationalen Friedens- bzw. Anti-Kriegstag“ ausgerufen.
Und die WHO zum „Internationalen Welt-Alzheimertag“.
Na, wenn das nicht kompatibel ist, dann weiß ich‘s auch nicht.
22.9.22
Mensch, der is ja immer noch da!
Der ‚Kölner Stadtanzeiger‘ hat zwar ein Holzauge. Is aber wachsam:
„Land NRW geht gegen Woelkis Hochschule vor -
Ministerin untersagt Priesterausbildung und droht mit Verfahren“
Also, Woelki, hör mal zu, du rheinischer Sauerteig äh -braten, du! Du komischer Vogel, du Nachfolger Christi, du! Vielleicht kannste dir mal endlich den Satz hinter deine Segelohren tackern:
Dein Reich ist nicht von dieser Welt!
Und jetzt zieh Leine!
Danke.
23.9.22
Das böseböse N-Wort
Wir müssen reden!
Es ist hysterisch, pardon, historisch nicht ganz klar nachgewiesen, wann die ersten hier bei uns überhaupt eintrudelten. Als es sich anfangs noch gerade mal um‘ne Handvoll handelte, waren sie nur ein seltenes Sujet der Forschung, für sensationssüchtige Kirmes­budenbesucher aufrei­zende Exotik pur, für betuchte Großbürger herzlich willkommenes Gartenpartythema, um sich wichtig zu machen, und für die breite, unwissende Mehrheit eher nutzlose Fabelwesen aus einer anderen Welt.
Im Verlaufe des letzten Jahrhunderts aber drehte sich der Wind. Die allgemeine Meinung und damit die grundlegende Einstellung zu den ehemaligen Exoten verwandelte sich in Ablehnung, Feindschaft und Verfolgung. Für die inzwischen „aufgeklärten“, durch u. durch ras­sis­tischen Völker der hiesigen Breitengrade gilt seitdem die rück­standslose Beseitigung dieser Fabelwesen, die gnadenlose Ausrot­tung - auch mit Gottes Hilfe wenn Sie so wollen - als probates Mittel moderner Ökologie und nachhaltiger Politik.
Meine Damen und Herren, die Nosferatu-Spinne! Sie ist nicht ohne. Wir werden aber wohl mit ihr leben müssen. Danke.
Und schönen Tach noch!
26.9.22
Minigolf ohne Handicaps
Der ‚Stadtanzeiger‘ schreibt - wie alle andern auch:
„Hilfe aus der Golfregion -
Mehr als nur eine Einkaufsreise für Gas:
Kanzler Scholz in Saudi-Arabien, Abu Dhabi und Katar“
Meine lieben Andersdenkenden,
um die Diskurswogen ein wenig zu glätten und des lieben Friedens Willen, stellen wir uns jetzt spaßeshalber mal dümmer, als die Po­lizei z.B. in Katar erlaubt, und fragen: Waswiewoundworin liegen denn großer Unterschied in puncto Demokratie & Menschenrechte zwischen Putin auf der einen und Prinz Mohammed bin Salman, Mo­hammad bin Zayid Al Nayhan und Emil Tamil bin Hamad Al Tamille aufer annern Seite?
Nun, den allermeisten wird die Beantwortung der Frage natürlich etwas schwer fallen (allein weil se die Herren nicht so gut kennen), aber für jeden, ja, für so ziemlich jeden, der bis drei zählen kann, is et doch wohl eher ein Kinderspiel.
Ich wünsche Ihnen noch eine geruhsame Nacht.

P.s.:
Ach, Kinners!
Alles so Probleme der sog. Realpolitik. Dabei liegt der wirkliche Höllenhund ganz woanders begraben. Ein Lied von Rio Reiser aus dem Jahr 1987 gibt uns da recht brauchbare Hinweise:

Blinder Passagier,
Das Ziel unserer Reise
Ist nicht weit von hier.

37 Tage auf hoher See
Zwischen Jedermanns- und Niemandsland und ewigem Schnee.
Wir hab'n genug zu essen, genug Schnaps und Brot,
Doch die Mannschaft ist müde und der Steuermann tot.
Und niemand weiß genau, wohin die Reise geht,
Jeder weiss, daß alles in den Sternen steht.
Doch die Sterne leuchten schon seit Tagen nicht mehr,
Nur der Käpt'n strahlt, doch der Himmel bleibt leer.

Blinder Passagier,
Ich weiß, was ich weiß,
Doch ich sag's nur dir.
Blinder Passagier,
Das Ziel unserer Reise
Ist nicht weit von hier.

Das Ruder ist gebrochen, und keiner weiß,
Ob 'n Funker an Bord ist, wie der Notruf heißt.
War's nicht SDI oder CIA, Oder Save Our Money oder USA?
Ist jetzt alles zu früh oder alles zu spät?
Und niemand weiß, wohin der Wind uns weht.
Bringt uns dieser Dampfer über'n großen Teich
Oder saufen wir ab und sterben gleich?

Blinder Passagier,
Ich weiß, was ich weiß,
Doch ich sag's nur dir.
Blinder Passagier,
Das Ziel unserer Reise
Ist nicht weit von hier.

Und backbord, backbord ist 'nen riesen Leck
Und der Obermaat weiß es, doch es schert ihn 'n Dreck
Und niemand schreit: "Macht die Boote klar!",
Es ist ja nur eins für den Käpt'n da.
Die Ratten, die hatten einst alles im Griff,
Doch die Ratten verlassen das sinkende Schiff.
Und es dauert nicht mehr lang, und es ist alles vorbei,
Doch niemand denkt hier an Meuterei

Blinder Passagier,
Ich weiß, was ich weiß,
Doch ich sag's nur dir.


(Rio Reiser)
Und gesungen wird's, Genossen, dann noch etwas klarer.
27.9.22
Bella ciao, bella ciao, bella Italia!
Nach dem fulminanten, demokratischen Sieg der Postfaschisten,
der Meloni-Brüder, könn‘ wa seit gestern
also auch noch Italia ad acta legen.
Wir gehen lustigen Zeiten entgegen.
28.9.22
Alte Zwischen-Flötentöne aus dem Sauerland
oder
Wenn man ihn denn für voll nähme und für bare Münze
Wenn man ihn denn für voll nähme und für bare Münze,
diesen Fritzen, diesen popolären Volksvertreter Merz,
bzw. wenn man seine Worte für voll und bare Münze nähme,
wenn man ihm auf diese Art - von mir aus sogar - Achtung erwiese, Glauben sch­enkte und so durchaus mit tiefstem Respekt begegnete,
wenn man ihn also für das nähme, für was und wie er sich selber auch nähme, nämlich fürwahr für voll, für wahr & bare Münze ...
wenn ...
ja wenn …
dann müsste man aber auch diesen seinen gestrigen Spruch zitieren zum angeblichen Urlaubsverhalten ukrainischer Flüchtlinge:
„Wir erleben mittlerweile einen Sozialtourismus unter diesen Flüchtlingen aus der Ukraine“ bla bla bla, die, so unser christ­licher Flöten­fritze, munter zwischen Deutschland und der Ukraine hin- und her­reisten zum Zwecke der Erschleichung sozialer Gelder; siehe auch „Sozialschmarotzer“ etc.pp ...
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(Kleine Rückblende)
"Wenn wir hier eine Einwanderung in die deutschen Sozialsysteme kriegen, werden wir uns dagegen wehren bis zur letzten Patrone."
(Horst Seehofer vor einigen Jahren. Aber der hatte noch nie alle Tassen im Schrank.)
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Wenn man ihn also für voll nähme und für bare Münze,
dann müsste man natürlich fairerweise auch den grandiosen Shit­storm erwäh­nen, der ihn daraufhin ereilte,
und … und seine diesbezüglich, unverzüglich folgende, grandiose Entschuldigung für den asozialen Aus­flug in den „Sozialtourismus“:
„Mir lag und liegt es fern, die Flüchtlinge aus der Ukraine, die mit einem harten Schicksal konfrontiert sind, zu kritisieren. Wenn meine Wortwahl als verletzend empfunden wird, dann bitte ich dafür in aller Form um Entschuldigung.“

Wenn man ihn also für derart voll und bare Münze nähme,
müsste man dann nicht auch irgendwann fragen:
Wieso kommt der Mann mit seiner unausrottbaren Ausländerhetze ausgerechnet an dem Sonntag hier umme Ecke, an dem in Italien die Faschisten mit Glanz und Gloria für Gott, für sich und Vaterland an die Regierung gewählt wurden?
Nun, dass die Blockflöte von Brilon in erster Linie und grundsätzlich lieber n bisken Kohle machen und die ganze gottgewollte Ukraine mit sogenanntem „schweren Kriegsgerät“ bis zur Halskrause, bis zum großen Knall, ja, bis zum bitteren Abwinken rücksichtslos voll­ballern willte, wollte, würde oder wie oder was auch immer,
als auch nur einem geflüchteten Ukrainer – sagen wa mal – ehrlich und zivilisiert die Hand zu reichen …
nun ja, was soll's, so isser halt, unser Friederich,
unser Faschisten-Fischer aus dem Sauerländischen!
P.s.:
Für eine Handvoll Nazi-Stimmen, däh.
Wer hätte das gedacht!
Doch die Völker, sie werden den Wink wohl verstanden haben.
Gute Nacht, Europa!