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1.6.23
„Hei-di! Hei-di, deine Welt sind die ...“
(Ich musste für einen Tag zwischendurch doch mal kurz nach Hause zu ner kleinen Zahn-OP. Und habe dabei die Gelegenheit genutzt: es musste einfach raus.)
Mein lieber, werter Bos vom ‚Stadtanzeiger‘, dem Kölner.
dass Frau Klum heute 50 wird, ist euch Kölner Kulturellen also eine ganze Seite wert. Is ja interessant. Sie sei ein „Phänomen“, schreibt euer phänomenaler Überschriftenschriftsteller. Großartig. Und dei­ne Kollegin Anne B. phantasiert: „An Heidi Klum scheiden sich die Geister.“ Wie? Welche Geister von welchen Geistern? Und ihr alle seid unterm Strich der Meinung, diese Frau sei keine steindumme, blon­dierte, egomane Nerventöterin, sondern „polarisiere nur.“ So, so. Sie polarisiert also. Is ja hochinteressant. Und weil diese aus­gekochte, durchgenudelte polarisierende Unterschichtenschnepfe so schön polarisieren kann, ist sie reif für eure Kulturredaktion?
Kann ja sein, dass ich den Schuss nicht gehört habe. Nur, lieber, werter Bos vom ‚Stadtanzeiger‘: Natürlich sind eure Ein- und Auslassungen zu HK kritisch, teilweis sogar äußerst bis schwerst kritisch gemeint. Aber wie das große Aber eben so spricht, man kann auch als gnadenlos incorruptable Analytiker der Abfallindus­trie, der nur theoretisch intensiv mit Kulturindustriellem in Berüh­rung kommt, selber dabei nicht immer so ganz sauber bleiben.
Bist ja noch jung, und ich wollte dich auch nur ein wenig warnen: Alles färbt ab! 'Ich kenne das Leben, ich bin im Kino gewesen.' Vielleicht erinnerst du dich.
(Das war nu möglicherweise wieder viel zu viel Gewese um dieses phäno­menale Wesen. Aber anders ging‘s eben auch nicht. Geh mir später die Hände waschen.)
11.6.23
Kinners! Pause is vorbei. Es geht weiter!
Nachdem im Jahre 1993 die damalige deutsche Bundesregierung das Asyl­recht de facto abschafft hatte und so ganz nebenbei sämtliche Flüchtlinge zu unerwünschten Personen erklärte, die da lieber dort ver­bleiben sollten, wo der Pfeffer wächst, gab es genau genommen nur noch zwei Möglichkeiten, in Deutschland Asyl zu bekommen: Entweder die Mittelmeer-Anrainerstaaten erklärten sich ihrerseits bereit, je­weils einen kleinen, schmalen Strandstreifen an die Bun­desrepublik zu verkaufen, um die Sogenannte Drittstaatenregelung elegant zu umschiffen, oder man sprang halt über Deutschland mit dem .... Fallschirm ab.
Seitdem ist viel passiert.
Aus Europa, dem Kreißsaal der Demokratie, der hoffnungsvollen Wiege so großartiger Ideen wie die von der Unfehlbarkeit des Hl. Vaters und des Gleichgewichts des Schreckens, von Liberté, Égalité, Fraternité, Rassenkunde und Rassenschande und Sozialer Markt­wirtschaft, aus Europa, der Heimat der Allgemeinen Menschenrech­te, atomarer Selbstaus­löschung und dennoch unkaputtbarer Sehn­suchtsort aller Erniedrig­ten und Beleidig­ten, wurde eine bis an die dritten Zähne bewaff­nete Festung, aus der man künftig ohne Wei­teres und wie immer mit gesalbten Worten auch wieder auf Kinder schießen wird.
So der Stand der Dinge.
Und da marschiert unser Wumms- und Wendelin-Kanzler Onkel Olaf zum Evangelischen Kirchentag nach Nürnberg, wo man sich gerade über die weltweite Ausländerfrage ganz doll die denkenden Köpfe zerbrach, und erzählt dort laut eigener Aussage folgenden Witz:
„Ich habe diesen Witz auch schon im Europäischen Parlament ge­macht. Deutschland muss wohl einen großen Strand am Mittelmeer haben. Denn tatsächlich kommen mehr Flüchtlinge, die über das Mittelmeer nach Europa kommen, in Deutschland an, als in den Mittelmeer-Anrainer-Ländern im Einzelnen.“
So der Witz von Onkel Olaf. Ein Witz bestehend aus absolut nichts als absichts­vollen Fehlinformationen, Fakes und populären, frechen Vorurteilen und basierend auf einer verschimmelten, toten Moral, die zum Himmel schreit. Friedrich Nietzsche schrieb dazu einmal in einer dunklen Stunde – und da kannte er den Olaf noch gar nicht:
„Solange man nicht die Moral des Christentums als Kapital­verbrechen am Leben empfindet, haben dessen Verteidiger
gutes Spiel.“
Meine Damen und Herren,
Und nun:
Das Wetter.
Ich wünsche Ihnen eine geruhsame Nacht.
12.6.23
Es geht voran
Die ‚Zeit‘, der ‚Spiegel‘, die ‚Welt‘, aber alle andern auch, berich­ten über eine recht interessante Umfrage:
„34 Prozent der heterosexuellen Männer zwischen 18 und 35 geben in einer Umfrage an, in der Beziehung »schon mal handgreiflich« zu werden – um ihren Frauen »Respekt einzuflößen«.
Selten wurde jemals so klar und präzise festgestellt, was unter dem bescheuerten Begriff „Respekt“ zu verstehen ist.
Respekt!
13.6.23
The kids are not alright
Vor 10 Tagen schrieb der ‚Kölner Stadtanzeiger‘, dass der Verlag ‚Kiepenheuer & Witsch‘ den Gedichtband des Rammstein-Sängers Till Lindemann „In stillen Nächten“ aus dem Programm genommen und die Zusammenarbeit mit ihm mit sofortiger Wirkung beendet habe, weil – so der Verlag wortwörtlich - „mehrere Frauen schwere Vorwürfe gegen ihn erhoben“ hätten. Bei ‚Kiwi‘ sagt man jetzt, Lindemann „überschreite unverrückbare Grenzen im Umgang mit Frauen.“ Ja, und bei ‚Kiwi' arbeiten Leute, die sich selber eher als Linke bezeichnen würden. Heute kann man also getrost davon aus­gehen, dass man „lechts und rinks“ durchaus und guten Gewissens „velwechsern kann“ (Ernst Jandl). So wie früher auch. Punkt, aus, fettig. Alles klar?
Oder noch mal genauer für die Doofen und die neue Gemeinschaft der inzwischen größenwahnsinnigen Zwergschulpädagogen?
Okay? Okay::
A: Diesen Lindemann konnt ich noch nie ab! Auch als Kunstfigur ist der mir immer schon mit seinem penetranten Hitler-R und den nerv­tötenden Anleihen aus der totgerittenen Riefenstahl-Ästhetik auf den Sack gegangen. Und war mir suspekt.
B: Auf den Sack gehen ist nicht angenehm, aber im Zweifelsfalle eben Geschmacksache.
C: Der Kölner Verlag „K&W“ war, so weit ich das mitgekriegt habe, immer für verfolgte Literaten ein offenes Haus, wo sie mit Solida­rität rechnen und nach Lust und Laune weitermachen konnten.
D: Helge Malchow sei Dank.
E: Auch wenn ein Finsterling wie Lindemann einem auf die Eier geht, bleiben schwere Vorwürfe schwere Vorwürfe.
F: Die aber sind nur dann relevant, wenn sie höchstrichterlich bestätigt werden.
G: Aber vor allem sind sie irrelevant, wenn es sich um Literatur handelt. Weil man in der Literatur, egal ob sie einem auf die Nüsse geht oder nicht, zwischen Autor und Werk immer hübsch differen­zieren muss.
H: Nur in islamischen, faschistischen, stalinistischen und ähnlich vermurksten Ländern ist die goldene Regel „De gustibus non est disputandum“ unbekannt.
I: Selbst wenn ein Autor heute seine Hauptfigur, ein süßes kleines Mädchen „Pippi Langstrumpf“ nennen würde, was wohl kaum noch passieren wird, ist das Geschmack­sache und nicht die der Staats­anwaltschaft.
J: Und da simmer auch schon wieder bei Jott.

Auf die „neuen“ Lektoren von „Kiwi“ kommt so gesehen aus zwei Richtungen also viel Arbeit zu: Alles, was „Kiwi“ an Literatur bis gestern veröffentlicht hat und weiter verkauft werden soll, muss nach alter bzw. alternativer Art gesäubert werden. Und zweitens alles, was in Zukunft noch kommen soll.
Ich wünsch euch noch viel Spaß. Und vielleicht helfen euch ja auch ein paar gleichgesinnte, freiwillige Sauberkeitsfanatiker der AfD, der Arschlöcher für Deutschland.

P.s.:
Übrigens. Ihr könnt euch die schwere, verantwortungsvolle Aufgabe ja auch etwas erleichtern, indem ihr euch als erstes die Bibel zur Brust nehmt. Da, im Buch der Bücher, steht nämlich alles drinne, was sich der Mensch bisher theoretisch wie praktisch auf dem wei­ten Feld der „schweren Vorwürfe“ so geleistet hat. Dann könnt ihr bei eurer kriminellen Suche nach neuen Lieblingsstellen einfach mit rot an den Rand schmieren:
„Bezugnehmend aufs AT u. auf Mt., Mr., Lk. und Joh. 1 bis Ende der Geschichte': streichen, weg damit und ab die Laube!"
Donnerwetter, die Bibel säubern, einstampfen und verbieten!? Eine große, eine gewaltige, ja eine Jahrhundertaufgabe!
P.s.:
Oha, hoppla, da fällt mir grad auf, bei "Kiwi" ist die Bibel ja gar nicht erschienen! Menschenskind, da is der Kelch an euch ja noch vorüber gegangen.
14.6.23
Der Büchertipp für den Juni
Heute mal kurz und schmerzlos:
„No Limit -
Die Neunziger – Das Jahrzehnt der Freiheit“
von Jens Balzer
Rowohlt Berlin
15.6.23
So geht‘s auch
(siehe auch Eintrag vom 20.5.)
Der ‚Kölner Stadtanzeiger‘ berichtet, dass in der Ägäis ein paar See­meilen vor Griechenland ein voll besetztes Fischereischiff mit weit über 700 Personen gekentert und gesunken ist. 104 Flüchtlinge konnten lebend geborgen werden. Die andern seien ertrunken.
Hm. Was jetzt?
Warten wir noch ein Weilchen, bis sich die Aufregung wat (Welche Auf­regung?) beruhigt hat und etwaige Restbestände an Mitgefühl bei uns europäischen Zuschauern durch diese Art Realpolitik letztend­lich nur noch in Spurenelementen nachweisen lassen. Dann müssen die armen Grünen auch nicht mehr diese furchtbar unan­genehmen Kröten schlucken.
Nur, da können sich die Toten dann au‘nix mehr für kaufen.
16.6.23
Ich hab da noch so einige Leerstellen
1.: Das ‚Redaktionswerk Deutschland‘ berichtet:
„Carsten Linnemann ist Vizevorsitzender der CDU. Im neuen Grundsatzprogramm will die Partei Leistung in der Gesellschaft fördern. Dafür dringt der CDU-Politiker darauf, dass Arbeitslose nach bis zu sechs Monaten wieder einen Job finden sollen – und wenn nicht, dann müssten seiner Ansicht nach Konsequenzen folgen.“
Hör mal zu, du Linnemannn, du Sportsfreund, du!
Ich hätte da auch noch diverse Konsequenzen, die ich dir bei Gelegenheit gerne mal deiner Bums- und Abrißbirne beibiegen wollte …
***
2.: Und du, du Kölner Stadtanzeiger, seit rund 2 Wochen warte ich auf deinen Kommentar bzgl. der unglaublichen causa ‚Kiepenheuer­&­Witsch‘ wg Einstampfen des Gedichtbandes „In stillen Nächten“ von Till Lindemann im Zusammenhang der bisher durch nichts bewiese­nen „schweren Vorwürfe“ von Seiten einiger Lindemann-Groupies, die (möglicherweise, Achtung: Polemik) bei diesem Lindemann noch in vergleichsweise ganz guter Obhut gewesen waren.
Desweiteren dachte ich, von ‚Kiwi‘ höchstpersönlich mal was zu hören.
Und was ist mit der 'Öffentlichkeit', die doch sonst bei jedem Furz ins weltweite Netz ihrer 'sozialen Medien' springt und für jeden Scheiß zu haben ist? Man hört ja so rein gar nix aus deren Ecke. Ein popp-kulturelles Abenteuer mit dem CDU-Rocker Carsten Linnemann hätte wohl, wie ich den Carsten kenne, für noch traumatischerere Folgen gesorgt.
Und falls es sich nur um eine klassische Sommerloch-Ente gehandelt haben sollte … na, dazu dann später, ihr Irren.
***

Und 3.: Hab ich vergessen.
17.6.23
Der 2. Büchertipp für den Juni
„Freund & Feind“ Kursbuch 214
18.6.23
Mit dem Thermometer in den Arschlöchern für Deutschland
„Und auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
Nach der aktuellen Sonntagsumfrage, dem sog. Politbarometer zu urteilen, würde die AfD mit 18% nach der CDU mit 28% und SPD mit 19% zur drittstärksten Kraft aufsteigen und damit zu ihrem bundes­weit bisher besten Ergebnis, erzählt uns der Matthias Fornhoff, der freundliche Herr Doktor mit dem Deutschland-Thermometer.
„Und auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
Danach kämen jetzt nur noch die Grünen, die Linken, die Äffffffff­DddddPeeee und die Sonstigen mit Kleinkleckerskramprozenten, was uns hier aber gar nicht weiter interessiert. Denn:
„Auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
Okay, die Zahlen stimmen, die Namen stimmen, aber was ist mit den Nazis? Wo sind die denn abgeblieben? Der Matthias wird sie doch wohl nicht vergessen haben? Denn:
„Auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
Die große, bange Frage, die die anderen so erregt „Was machen wir denn jetzt mit all den AfD-Wählern?“ steht zwar weiter unbeant­wortet drängend im Raum. Denn:
„Auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
Und der freundliche Matthias erklärt uns als Wahl-Prediger pro toto:
„Die meisten AfD-Wähler sind ja keine rechtsradikalen Nazis. Die wollen den andern Parteien nur einen Denkzettel verpassen.“ Aaah, dann is ja alles okay mit der überraschenden Erkenntnis:
„Auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
Und weil man sich halt gern verscheißern lässt, bleibt eine kleine Nebenfrage unbeachtet: Wenn so viele Wähler und Wählerinnen den etablierten Parteien nur einen Denkzettel verpassen wollen und sich dabei alle ziel- und punktgenau ausschließlich für die rechtsradikale Nazipartei AfD entscheiden, müssen sie selber ja keine rechtsradi­kalen Nazis sein, sondern nur haargenauso denken wie die. Nicht ganz einfach nachzuvollziehen, is aber so. Und - voilà:
„Auf einmal gab es keine Nazis mehr ...“
quod erat demonstrandum
19.6.23
Eure Rede sei ja ja, nein nein (Mt. 5, 37)
Mit dieser relativ klugen Alltagsregel hätten se sich bis zur nächs­ten Megakatastrophe & darüber hinaus ja eventuell noch locker-wacker durchwurschteln können. Doch seit sie dem sog. Asylkompromiss zu­gestimmt und damit ihre ureigene Existenzberechtigung dementiert haben, kann man die Grünen nun endgültig abschreiben und ihre kurze Kampf- und Blütezeit wie auch den „Kommunismus“ nur als „Episode“ und die „Menschheit insgesamt als Amöbe im universellen Kapita­lismus“ (Wolfgang Pohrt) begreifen.
Doch auch das Leben als Amöbe geht weiter.
Am Wochenende konnte man auf dem CDU-Partei Konvent erleben, wie beim Basteln am neuen Grundsatzprogramm sich diverse Groß­amöben zu künftigen Führungsfiguren aufplusterten. Und als Gast war sich die altgrüne Randamöbe Ralph Fücks nicht zu schade, den ratlosen Christamöben einen Sack voll guter Ratschläge mit auf den schiefen Weg durchs Jammertal zu geben.
Merz, die christdemokratische Oberamöbe, versuchte mit einer de­zidiert langweiligen Amöbengrundsatzrede Optimismus zu verbrei­ten, musste sich aber – ausgerechnet - von einer Frau geschlagen geben, von der weltberühmten Eiskunstläuferin Claudia Pechstein, die als eiskalte, reaktionäre, gefühllose (Hammer noch wat?) CDU-Amöbe in staatlich mehrfach ge­schniegelter Polizeiuniform demon­strierte, wie herrlich kompatibel CDU und AfD mittlerweile sind.
Wir dürfen gespannt sein, wie sich das alles in unserer deutschen Amöbenheimat weiterentwickelt.